04: Das neue Gebäude des Kaiser-Wilhelm-Instituts für Eisenforschung

Mit pathetischen Worten bedankte sich der damalige Präsident der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft, Max Planck beim Verein Deutscher Eisenhüttenleute (VDEh):

„Die Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft empfindet es mit freudigem Stolz, daß ihr hier die Industrie ein Institut hingestellt hat, in welchem ihre Aufgabe, die wissenschaftliche Forschung im Dienst des Vaterlandes, eine neue Pflegestätte findet, die an Ausmaß und Ausstattung von keiner anderen ähnlich gearteten im In- oder Ausland übertroffen wird.“[1]

Die Rede hielt er am 29. November 1935 anlässlich der Einweihung des neuen Institutsgebäudes in Düsseldorf, in dem das Max-Planck-Institut für Eisenforschung (MPIE) bis heute seine Heimstätte hat.

Zu den Teilnehmern der Einweihungs-Feierlichkeiten gehörten unter anderem Reichswirtschaftsminister Hjalmar Schacht, Staatssekretär Siegmund Kunisch vom Reichswissenschaftsministerium,[2] Gauleiter Friedrich Karl Florian und Generalmajor Emil Leeb vom Heereswaffenamt[3] – auch ein Beleg dafür, welche Bedeutung die Vertreter des NS-Regimes dem Kaiser-Wilhelm-Institut für Eisenforschung (KWIE) bei der Aufrüstung des Reichs zuschrieben und wie eingebunden das Institut in den Nationalsozialismus war.

Der Entwurf für das neue Institutsgebäude stammte von dem Duisburger Architekten Heinrich Blecken, der unter anderem Baudirektor der Vereinigten Stahlwerke AG war.[4] Während der Planungsphase wurden ab 1928 auch zahlreiche Institute und Laboratorien im In- und Ausland sorgfältig studiert, „um alle neuzeitlichen Erfahrungen dem neuen Institut nutzbar zu machen“, wie es in einer zeitgenössischen Darstellung heißt.[5]

Aufgrund der Weltwirtschaftskrise mussten die im Jahr 1931 inzwischen bis zur Baureife ausgearbeiteten Pläne jedoch vorläufig zurückgestellt werden. Da sich gegen Ende des Jahres 1933 eine Besserung der Wirtschaftslage andeutete, beschloss der Vorstand des VDEh im Dezember 1933 schließlich den Neubau des Instituts.[6]

Da Heinrich Blecken kurz vor Baubeginn als Professor an die Technische Hochschule Breslau berufen worden war, wurde die Bauleitung den Düsseldorfer Architekten Ernst Petersen und Walter Köngeter übertragen.

Auf die Fassadengestaltung des Hauptgebäudes nahm zudem der Stuttgarter Paul Bonatz, Architekt des alten Stuttgarter Hauptbahnhofs und ab 1935 zugleich künstlerischer Berater von Fritz Todt beim Bau der Reichsautobahnen, maßgebenden Einfluss.[7] Die Wiederaufnahme des Bauvorhabens wurde damals in der Presse als zentrales Ereignis wahrgenommen – auch in den nationalsozialistischen Organen. Die Düsseldorfer NSDAP-Zeitung „Volksparole“ begrüßte die Erstellung eines Neubaus für das KWIE und rechnete mit voraussichtlichen Kosten in Höhe von beinahe drei Millionen Reichsmark.[8] Zum Vergleich dazu: die Baukosten für die zwischen 1929 und 1932 errichtete Kraftwagenstraße Köln-Bonn, der heutigen Autobahn 555, betrugen 8,6 Millionen Reichsmark.[9]

Im Februar 1934 wurde mit dem Bau des Institutsgebäudes auf dem etwa 80.000 m² großen Grundstück in Düsseldorf-Düsseltal begonnen.[10] Nach einer nur achtzehnmonatigen Bauzeit konnten sämtliche Abteilungen des KWIE im September 1935 in das neue Institutsgebäude einziehen. Zur feierlichen Einweihung am 29. November 1935 war das Institut mit seinen gesamten Laboratorien und Werkstätten voll arbeitsfähig.[11] Das in Stahlskelettbauweise errichtete, viergeschossige Hauptgebäude mit anschließendem Seitenflügel erhielt eine mit Klinkern verblendete Fassade. Nach den Provisorien der vergangenen Jahre wies das Institut nun eine hochmoderne Arbeitsumgebung auf.

Der schlichte, kubische Klinkerbau mit seinen horizontalen Fensterbändern und der Innenausstattung mit Stahlrohrmöbeln stand in der architektonischen Tradition des Bauhauses der 1920er Jahre und repräsentierte damit die klassische Moderne in Deutschland.[12]

Insgesamt war bei der klaren Gestaltung des Baus die Zweckdienlichkeit für die Aufgaben des Instituts der leitende Gedanke gewesen.[13] Trotzdem wurde auch die ästhetische Gestaltung des Gebäudes nicht außer Acht gelassen. In der Eingangshalle ist bis heute das vom Düsseldorfer Künstler Erich Kuhn geschaffene Wandrelief mit seiner symbolischen Darstellung der Eisenhüttentechnik ein Blickfang für die Besucher des Instituts. Neben den mit empfindlichen Feinmessgeräten ausgestatteten chemischen, physikalischen und metallographischen Laboratorien waren die allgemeinen Räume, die Bücherei und Registratur, die Verwaltungsbüros sowie ein großer Lesesaal im Hauptgebäude untergebracht, welches gegenüber Erschütterungen weitgehend abgeschirmt war.[14]

Für die Laboratorien und Werkstätten, deren Maschinen und Apparate Erschütterungen hervorriefen oder deren Betrieb mit Rauch-, Staub- und Lärmentwicklung verbunden war, wurde ein vom Hauptgebäude abgetrennter, siebenschiffiger Hallenbau errichtet. Zu dem Institutskomplex gehörte noch eine kleinere Gebäudegruppe, bestehend aus dem sogenannten Schwingungshaus zur Durchführung mechanischer Dauerschwingungsversuche, Mannschaftsräumen für die Belegschaft der Hallen, Garagen, Lagerräumen und einem Wohnhaus für die Betriebsbeamten des Instituts.[15]  

Was bisher geschah...                                                                                                     Lesen Sie wie es weiter geht...


[1] „Die Einweihung des Neubaues des Kaiser-Wilhelm-Instituts für Eisenforschung“, in: Stahl und Eisen, Heft 50, 12.12.1935, S. 1491-1497, S. 1495

[2] Die vollständige Bezeichnung lautet: Reichsministerium für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung.

[3] „Die Einweihung des Neubaues des Kaiser-Wilhelm-Instituts für Eisenforschung“, S. 1492 f.

[4] Körber, Friedrich: Der Neubau des Kaiser-Wilhelm-Instituts für Eisenforschung (Abhandlung 315), in: Körber, Friedrich (Hrsg.): Mitteilungen aus dem Kaiser-Wilhelm-Institut für Eisenforschung zu Düsseldorf, Band 18, Abhandlung 294-315, Düsseldorf 1936, S. 253-313, S. 253.

[5] Dönges, Wilhelm: Geschichte und Entwicklung des Kaiser-Wilhelm-Instituts für Eisenforschung zu Düsseldorf, in: Mitteilungen aus dem Kaiser-Wilhelm-Institut für Eisenforschung zu Düsseldorf, Bd. XXV, Düsseldorf 1942, S. 14.

[6] „Der Neubau des Kaiser-Wilhelm-Instituts für Eisenforschung“, in: Meine Heimat (Kunst- und Heimatzeitschrift für das bergisch-niederrheinische Gebiet), Januar 1936, S. 33-34, S. 33.

[7] Körber, Der Neubaus des KWIE, S. 313; zu Bonatz u. a.: May, Roland: Von der Ingenieursästhetik zur Monumentalarchitektur. Der Brückenbau der Reichsautobahnen und der Architekt Paul Bonatz, in: Harlander, Tilman/Pyta, Wolfram (Hrsg.): NS-Architektur: Macht und Symbolpolitik, 2. Aufl. Berlin 2002, S. 193-210.

[8] „Der Bau des Eisenforschungsinstitut gesichert“, in: Volksparole, 16.11.1933.

[9] https://www.strassen.nrw.de/projekte/a555.html (12.11.2016)

[10] Ebd., S. 257 u. 313.

[11] Generalverwaltung der Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften e.V. (Hrsg.): Jahrbuch der Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften e.V. 1961 Teil II, Göttingen 1962 (?), S. 232.

[12] Flachowsky, Sören: Das Max-Planck-Institut für Eisenforschung Düsseldorf; in: Gruss, Peter; Rürup, Reinhard (Hrsg.): Denkorte. Max-Planck-Gesellschaft und Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft: Brüche und Kontinuitäten 1911-2011, Dresden 2010, S. 128-135, S. 130.

[13] Meine Heimat, Januar 1936, S. 33.

[14] Generalverwaltung MPG (Hrsg.): Jahrbuch der MPG 1961, S. 232; Meine Heimat, Januar 1936, S. 34.

[15] Meine Heimat, Januar 1936, S. 34.

Zur Redakteursansicht