Frauen in der Wissenschaft
Männer mit Perücken, Männer mit Bärten, kaum Frauen. Wenn man an berühmte Naturwissenschaftlerinnen und -wissenschaftler denkt, drängen sich Bilder von Männern auf. Wir alle kennen Newton und Einstein. Zurecht. Aber eher weniger Donna Strickland, die den Laser weiterentwickelte und 2018 mit dem Nobelpreis ausgezeichnet wurde. Die erste Frau seit 1963. Wer kennt Ada Lovelace, die Softwarepionierin, die schon im 19. Jahrhundert die Prinzipien der Informatik formulierte. Oder Stephanie Kwolek, die Frau, die das widerstandsfähige Kevlar entwickelte, welches heute beispielsweise in schusssicheren Westen verwendet wird.
Die Max-Planck-Gesellschaft setzt sich für eine Förderung von Frauen in der Wissenschaft ein und bietet vielfältige Unterstützungsangebote. Und trotz aller Fortschritte, die in den letzten Jahren gemacht worden sind, fehlt es an Frauen in der Wissenschaft als Inspiration für den wissenschaftlichen Nachwuchs. Daher wollen wir hier Forscherinnen am MPI-SusMat vorstellen: Wie sind sie in die Forschung gekommen? Was sind ihre Motivationen oder Vorbilder und was würden sie Schülerinnen raten, die überlegen in die Forschung zu gehen?
Tiere haben sich im Laufe der Evolution an widrigste Bedingungen wie Kälte, Hitze oder völlige Dunkelheit in der Tiefsee, angepasst. Elefanten verfügen über Eigenschaften, die ihre Zellen nahezu immun gegen Krebs machen. Gennas Faszination für diese Naturphänomene weckte schon früh ihr Interesse an Medizin und Biologie: „Naturwissenschaften haben mich schon immer fasziniert, aber Mathematik war in der Schule eine große Hürde. Ich glaube, es ist nicht ungewöhnlich, dass sich junge Mädchen einreden, Mathematik sei zu schwierig“, sagt Genna. Doch statt sich davon abhalten zu lassen, hat sie sich ins Zeug gelegt: „In meinem letzten Schuljahr musste ich meine Mathe-Note deutlich verbessern, um Biomedizintechnik studieren zu können. Als ich es an die Uni schaffte, merkte ich, dass Schulmathematik nur ein Aufwärmtraining war. Aber an der Universität fing ich an, mich auch für die komplexere Mathematik zu begeistern“.
Von Galway nach Düsseldorf
Genna ist in Galway, Irland, aufgewachsen und hat dort studiert, bevor sie im Februar 2024 ans MPI SusMat kam. Ihr Forschungsprojekt ist einzigartig am Institut: Sie untersucht den Schädel eines Moschusochsen. Moschusochsen durchstreifen die arktische Tundra Grönlands und Alaskas. Die bis zu 400 Kilogramm schweren Männchen tragen während der Brunft Rangkämpfe aus. Dabei stoßen sie bis zu zwanzig Mal hintereinander mit ihren Köpfen zusammen. „Trotz dieser heftigen Zusammenstöße erleiden sie nur minimale Hirnschäden“, erklärt Genna. „Wir untersuchen die Materialien in ihren Schädeln von der Nano- bis zur Mesoebene, um ihre chemischen und mechanischen Geheimnisse zu entschlüsseln. Unser Ziel ist es, neue Materialien mit außergewöhnlich hoher Energieabsorption zu entwickeln, beispielsweise für den Einsatz in der Luft- und Raumfahrt oder in der Automobilindustrie“.
Die Arbeit in der Materialwissenschaft kam für Genna überraschend: „Ich kannte das Institut, aber bis dahin hatte ich hauptsächlich mit Knochen gearbeitet. Der Fokus auf Materialwissenschaften war neu für mich", erklärt sie. "Ich sah die Stellenausschreibung auf LinkedIn und dachte: Da muss ich mich bewerben. Obwohl ich keine Erfahrung mit bildgebenden Verfahren wie der Transmissionselektronenmikroskopie hatte, wurde ich eingestellt. Der herzliche Empfang und die Ausbildung an den Mikroskopen sind unbezahlbar. Hier kann ich perfekt anwenden, was ich bereits gelernt habe, und gleichzeitig in ein völlig neues Gebiet eintauchen.
Gesellschaftliche Normen können die Berufswahl entscheidend beeinflussen. So verlieren viele Mädchen schon früh ihre Begeisterung für die Naturwissenschaften: „Es gibt so viel Potenzial, aber es geht verloren. Jeder sollte das tun, was ihn wirklich begeistert, nicht das, was andere von ihm erwarten. Rückblickend hat sich Genna von zwei wichtigen Frauen in ihrem Leben inspirieren lassen. „Aus wissenschaftlicher Sicht war Jessica, eine Postdoktorandin während meiner Promotion, ein großer Einfluss. Obwohl sie unglaublich beschäftigt war, nahm sie sich immer die Zeit, mich zu unterstützen. Meine Mutter ist mein generelles Vorbild. Sie wollte immer Design studieren, tat dann aber, was ihre Familie von ihr verlangte. Aber als ich etwa 10 Jahre alt war, ging sie wieder aufs College, um Innenarchitektur zu studieren. Während dieser Zeit hat sie Kinder, Seminare und Abgaben unter einen Hut gebracht. Heute ist sie selbstständige Innenarchitektin. Ihre Geschichte zeigt, dass es nie zu spät ist, das zu tun, was man liebt.
Von Siegen über München nach Düsseldorf
2019 zog Ankita für ihr Masterstudium nach Deutschland: „Ich wollte neue Erfahrungen außerhalb von Indien sammeln. Ich wollte entweder nach Deutschland oder die Niederlande, weil da hervorragende Grundlagenforschung betrieben wird“, erklärt sie. Letztlich entschied sie sich für die Universität Siegen: „Ich konnte nicht gut Deutsch, aber Siegen war perfekt, weil sie viele Kurse in Englisch anbieten. Außerdem lag die Uni auf einem Berg mit einer atemberaubenden Aussicht.“ Nach einem sechsmonatigen Forschungsaufenthalt an der Technischen Universität München bewarb sich Ankita für eine Promotion am Max-Planck-Institut für Nachhaltige Materialien (MPI SusMat). Sie kannte bereits den wissenschaftlichen Ruf des Instituts und ein Treffen mit ihrem zukünftigen Gruppenleiter, Dr. Martin Rabe, besiegelte die Entscheidung: „Er war so leidenschaftlich bei seinem Projekt, dass mich seine Begeisterung angesteckt hat. Das war mir sehr wichtig. Es geht nicht nur um wissenschaftliches Ansehen, sondern auch um die Zusammenarbeit mit inspirierenden Menschen. Die Atmosphäre in Düsseldorf kommt mir auch gut gelegen. Da ich selbst aus einer Großstadt wie Pune komme, war es nicht schwer, sich hier zurecht zu finden.“
Am MPI SusMat untersucht Ankita Biomoleküle wie Proteine und deren Aufnahme auf verschiedenen Germaniumoberflächen. Germanium ist eine sogenannte „intelligente Oberfläche“, die ihre Eigenschaften durch bestimmte elektrochemische Auslöser ändert. Die Anwendungen sind noch nicht klar, da zuerst die Grundlagen verstanden werden müssen: Welche Eigenschaften ergeben sich aus den Adsorptionsprozessen? „Ich liebe die Grundlagenforschung, weil sie Experimente in viele Richtungen ermöglicht. Gerade als Chemikerin hat man viele Möglichkeiten. Mit all den High-Tech-Mikroskopen kann ich nun Bilder von Partikeln bis hinunter auf die Nanoskala erzeugen. Genau die Art von Bildern, die mich als Kind schon fasziniert hat.“
Mache was du liebst
Der Nachteil der Grundlagenforschung ist ihre Unvorhersehbarkeit. Man weiß nie, was das Experiment bringt und es kann frustrierend sein, wenn Dinge nicht wie geplant laufen. Aber diese Herausforderungen führen Ankita zu zwei wichtigen Ratschlägen für junge Frauen, die sich für Wissenschaft interessieren: „Erstens: Mache was du liebst. Es wird manchmal auch frustrierend sein, aber wenn du dran bleibst, wirst du bald ein klareres Bild bekommen. Zweitens: Finde dein Vorbild. Historisch gesehen haben Männer oft den Verdienst für die Entdeckungen von Frauen beansprucht, aber das beginnt sich zu ändern. Es gibt viele großartige weibliche Vorbilder, und wenn du kein Vorbild finden kannst, kannst du selbst zu einem werden.“
In den 1990er Jahren zogen ihre Eltern von Rumänien nach Fürth in Bayern. Über ihr Aufwachsen reflektiert sie: „Meine Eltern kamen aus einfachen Verhältnissen und lebten in einem ländlichen Teil Rumäniens. Die Idee, zur Universität zu gehen oder Karriere in der Forschung zu machen, schien anfangs völlig absurd.“ Kloos' Bildungsweg begann an der Hauptschule und von dort aus stieg sie allmählich die Bildungsleiter hinauf, durch verschiedene Schulformen, von der Wirtschaftsschule über die Fachoberschule bis hin zum Abitur.
Der Schlüsselmoment für Kloos ereignete sich bei einem Besuch der Nacht der Wissenschaften in Erlangen, begleitet von ihrem Onkel. An der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen (FAU) hatte sie ihre erste Begegnung mit materialwissenschaftlichen Experimenten und Elektronenmikroskopen. Sie war fasziniert. In diesem Moment war die Entscheidung klar: Trotz aller Hindernisse sollte es eine wissenschaftliche Karriere werden: „Ich hatte Probleme mit Mathe, litt unter Prüfungsangst und brauchte zusätzliche Nachhilfe nach der Schule. Meine Schule bot nicht einmal Kurse in Physik oder Chemie an. Trotzdem wollte ich gut in Mathe sein, und sagte mir, dass ich versuchen würde, Naturwissenschaften zu studieren. Scheitern war schließlich das Schlimmste, was passieren könnte.“
Kloos begann ihr Studium an der FAU, studierte Nanotechnologie im Bachelor und Materialwissenschaften im anschließenden Masterstudium. Ohne vorherige Kenntnisse in Chemie oder Physik in der Schule war der Studienbeginn an der Universität eine große Herausforderung: „Die ersten Semester meines Bachelorstudiums waren hart. Alle anderen hatten zumindest ein grundlegendes Verständnis von chemischen Reaktionen und Bewegungsgleichungen. Alle anderen erledigten ihre Hausaufgaben schneller als ich. Dementsprechend musste ich zusätzliche Zeit ins Selbststudium investieren. Ich habe Bücher wie 'Physik für Dummies' gelesen, um das aufzuholen, was ich in der Schule nicht hatte lernen können.“
Nach Abschluss ihres Masterstudiums suchte Kloos nach neuen Möglichkeiten und wie es das Schicksal wollte, kreuzten sich während eines Symposiums in Erlangen ihr Weg mit Prof. Christina Scheu, Gruppenleiterin am MPIE: „Ich hatte immer den Wunsch, in der mikro- und nanostrukturellen Analyse zu arbeiten. Die Möglichkeit, Mikroskope zur Visualisierung einzelner Atome zu verwenden, hat für mich immer noch einen Hauch von Magie. Außerdem passte Christinas Fokus auf erneuerbare Energien perfekt zu meinen Interessen. Dass ich diese Stelle am MPIE bekommen habe erscheint mir immer noch etwas surreal. Damals während des Bachelors haben meine Freunde und ich oft davon geträumt, hier zu arbeiten. Wir bewunderten die Forscherinnen und Forscher. Jetzt bin ich tatsächlich hier, zusammen mit einigen meiner Kolleginnen und Kollegen aus diesen frühen Jahren.“
Anfang 2023 kam Shelyug durch ein Humboldt-Stipendium zum MPIE. Ihr derzeitiger Schwerpunkt liegt darauf, Eisenerze mit Hilfe von Wasserstoffplasma effizient zu reduzieren: “In einem ersten Schritt mache ich mich mit den mir zur Verfügung stehenden Werkzeugen, wie dem Lichtbogenofen, vertraut. Ich möchte die Auswirkungen verschiedener experimenteller Bedingungen auf das Wasserstoffplasma und seine Reduktionsfähigkeit verstehen. Momentan stelle ich zahlreiche Proben her, um möglichst viel Metall zu extrahieren und gleichzeitig den Energie- und Ressourcenaufwand zu minimieren. Im Wesentlichen variiere ich jedes Mal die Plasmaparameter, um die Menge des extrahierten Metalls zu bestimmen. Das ist eine wesentliche Voraussetzung für das, was vor uns liegt: Die Wirkung zwischen Plasma und Metall zu verstehen und die Reduktion industriell anwendbar zu machen. Die Ergebnisse kommen aber auch der Fusionsenergie zugute, wo Wasserstoffplasma schädliche Veränderungen an Baumaterialien verursacht.“
Balanceakt Karriere und Privatleben
Für Anna Shelyug ist eine Forschungskarriere nicht vom Geschlecht abhängig, sondern vielmehr von der persönlichen Motivation. Eltern sollten ihre Kinder an wissenschaftliche Konzepte heranführen und gleich behandeln, unabhängig von ihrem Geschlecht: „Jeder Mensch hat das Recht, der zu werden, der er sein möchte, ohne gesellschaftliche Erwartungen“, erklärt sie. Dementsprechend hat sie kein bestimmtes weibliches Vorbild, sondern lässt sich von all jenen inspirieren, die ihre Arbeit erfolgreich mit ihrem Privatleben verbinden: „Diese Balance ist nach wie vor eine große Herausforderung, insbesondere für Frauen mit Kindern. Einige entscheiden sich dafür, ihre Arbeit aufzugeben und Mutter zu werden, während andere weiterarbeiten oder sich dafür entscheiden, gar keine Kinder zu bekommen. Entscheidend ist, dass diese Frauen unabhängig von Familie oder Geschlechterrollen die Freiheit haben, ihre Lebensentscheidungen zu treffen. Wenn man sie bereut, kann man immer noch seine Pläne ändern.“
Shelyug weiß aus eigener Erfahrung, wie schwierig es ist, private und berufliche Aspekte des Lebens unter einen Hut zu bringen: „Mein Mann ist eine große Unterstützung für mich. Da wir jedoch beide im gleichen Bereich arbeiten und in unseren Karrieren weiterkommen wollen, sind ständige Diskussionen über berufliche Verpflichtungen und Lebensentscheidungen erforderlich. Und obwohl die Ehe in der Regel als Suche nach Kompromissen oder als eine Art Opfer betrachtet wird, bin ich der festen Überzeugung, dass die Bedürfnisse jedes Einzelnen erfüllt werden können; manchmal ist es nur nicht gleich ersichtlich.“
Mit Blick auf die Zukunft möchte Shelyug neue Chancen ergreifen, die sich ihr bieten. Klar ist, dass diese Erfahrungen herausfordernd sind, aber sie betont auch die enormen Vorteile, die sich daraus ergeben. Erfahrungen tragen nicht nur zur wissenschaftlichen Entwicklung bei, sondern fördern auch die Persönlichkeit: „Ich kann jedem nur empfehlen, Erfahrungen zu sammeln. Sie verwandeln nicht nur deine Art wissenschaftlich zu denken, sondern auch deinen Charakter. Das ist von immenser Bedeutung.“
Nach ihrem Masterabschluss arbeitete Bhatt als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Karlsruher Institut für Technologie auf dem Gebiet der Molekulardynamik und später am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt an thermoelektrischen Transportmaterialien unter Verwendung der Dichtefunktionaltheorie (DFT). So konnte sie erste Erfahrungen sammeln und das, was sie auf dem Papier wusste, auf reale Moleküle anwenden. Bhatt kam über das Doktorandenprogramm SurMat zum MPIE und arbeitet in der Forschungsgruppe „Defektchemie und Spektroskopie“ am Orbitalkontrast in der Feldionenmikroskopie (FIM). FIM ist eine relativ alte Technik, kann aber in Kombination mit neueren Methoden wertvolle Erkenntnisse liefern: „FIM ermöglicht es, einzelne Atome auf einer Oberfläche abzubilden, wodurch wir Defekte oder Verunreinigungen sichtbar machen können. Konkret bilden wir den Ionisationskontrast ab, der durch die elektronische Struktur der abgebildeten Oberfläche entsteht. In Kombination mit DFT-Berechnungen arbeiten wir daran, diese chemischen Kontraste auf Legierungsoberflächen zu verstehen und unsere Simulationen mit experimentellen Ergebnissen abzugleichen“, erklärt Bhatt.
Gemeinsam besser arbeiten
Die meisten wissenschaftlichen Herausforderungen werden nicht in ein paar Minuten oder Stunden gelöst, eher in Monaten. Dieser Prozess des Lernens und des ständigen Probierens von etwas Neuem ist jedoch Teil der Faszination, die Bhatt für Forschung hat: „Es geht nicht in erster Linie darum, einen Abschluss zu erwerben, oder Geld zu verdienen. Es geht um das Lernen. Es ist großartig, wenn Ihre Simulationen funktionieren, und noch besser, wenn Sie etwas zum Wohl der Gesellschaft beitragen können. Aber es kann ebenso fruchtbar sein, wenn etwas nicht auf Anhieb klappt.“ Am MPIE hat sie ein Arbeitsumfeld gefunden, das nicht nur ihren wissenschaftlichen Fokus, sondern auch ihre Lernambitionen unterstützt: „Man sitzt nicht den ganzen Tag allein in seinem Büro. Vor allem meine Abteilung ermutigt dazu, zusammenzukommen, Arbeit und Ideen zu teilen. Jede Woche veranstalten wir Hackathons und Treffen, bei denen wir mit unseren verschiedenen Projekten, Problemen, Fragen und Vorschlägen zusammenkommen. Ich habe noch nie ein so nettes Arbeitsumfeld erlebt. Die Art und Weise, wie hier gearbeitet wird, hat es mir sehr leicht gemacht, mich am MPIE einzuleben“, erklärt sie.
Obwohl Probleme und Ideen gemeinsam besprochen werden, ist letztlich die eigene Motivation entscheidend: „Man muss hungrig nach Informationen und begierig sein, neue Dinge zu lernen. Wenn man hungrig ist, sieht alles wie Essen aus und man bleibt bereit, neue Wege zu gehen. Noch besser ist es, wenn du Familie, Freunde oder Partner hast, die dich auf deinem Weg unterstützen.“ Jemand, der ihren Weg gegangen ist und Bhatt inspiriert hat, ist die Physikerin Marie Curie: „Sie gewann zwei Nobelpreise und opferte tragischerweise ihr Leben für ihre Forschungen über Radioaktivität. All das ohne die Labore, die wir heute haben. Zum Glück haben wir heute bessere Sicherheitsstandards, aber Marie Curie, ihr Einsatz und ihre Hingabe bleiben für mich unvergesslich und inspirierend.“
Roboterarme und Implantate
Seit 2021 arbeitet sie in der Abteilung für Mikrostrukturphysik und Legierungsdesign am MPIE im Bereich der additiven Fertigung von Metallen. In ihrer Forschung geht es um die Entwicklung von 3D-gedruckten Niedrigmodul-Titanlegierungen für biomedizinische Anwendungen. „Im Vergleich zu rostfreien Stählen mit hoher Steifigkeit haben Beta-Titan-Legierungen einen niedrigeren Elastizitätsmodul (weniger als die Hälfte des Moduls von Stählen). Dieser niedrige Modul ermöglicht eine bessere Anpassung an die vorhandene Knochenstruktur, indem er die spannungsabschirmende Wirkung abschwächt und so eine Implantatlockerung, ein vorzeitiges Versagen oder einen möglichen Knochenverlust verhindert.“ Diese Eigenschaft kann durch den 3D-Druck weiter verbessert werden: „Mit dem 3D-Druck können wir die Anatomie eines Patienten rekonstruieren und ein maßgeschneidertes Implantat drucken, das genau zu seinem Körper und seiner Knochenstruktur passt“, erklärt Tekumalla. Um die Eigenschaften von 3D-gedruckten Titanlegierungen zu verstehen und zu verbessern, muss man tief in ihre komplexen und unkonventionellen Mikrostrukturen blicken. Werkstoffeigenschaften wie der Elastizitätsmodul und das Ermüdungsverhalten werden von der Zusammensetzung dieser Mikrostruktur beeinflusst: „Normalerweise verstehen wir Werkstoffe anhand ihrer zweidimensionalen Querschnitte, indem wir die Oberflächen polieren und mikroskopische Untersuchungen durchführen. Da additiv gefertigte Werkstoffe sehr ungewöhnliche Mikrostrukturen haben, kann nur eine dreidimensionale Perspektive vollständige Einblicke in die Mikrostruktur und die komplexe thermische Entwicklung des Werkstoffs geben. Am MPIE verfügen wir über ein selbstgebautes, vollautomatisches 3D-EBSD-System mit einem Polierroboter, der die Proben poliert, und einem Roboterarm, der die polierten Proben in das Mikroskop legt. Wenn dieser Prozess 200 oder 300 Mal automatisch Schicht für Schicht wiederholt wird, erhält man mehrere zweidimensionale Karten, die dann zu einem dreidimensionalen Datensatz zusammengefügt werden können, der die gesamte Mikrostruktur wiederspiegelt. Das ist wirklich beeindruckend und hilft uns, reliable und leicht zu interpretierende Ergebnisse zu erhalten. Außerdem spart uns die Automatisierung Zeit und Mühe bei der manuellen Probenvorbereitung."
Erfahrung ist der Schlüssel
Praktische Erfahrungen zu sammeln ist etwas, das Tekumalla jedem empfiehlt, der mit dem Gedanken spielt, in die Forschung zu gehen: „Wissenschaft ist sehr lohnend und erfordert viel Geduld, vor allem in einem Forschungsbereich, der so viele Anwendungsmöglichkeiten hat - von Autos oder Gebäuden bis hin zu medizinischen Implantaten. Um herauszufinden, ob die Forschung etwas für dich ist, solltest du mit einem kurzen Forschungsaufenthalt beginnen und ein Gefühl dafür bekommen, indem du praktische Forschungserfahrung sammelst. Zum Beispiel, indem du Forschungsprojekte mit Professoren an Universitäten oder Forschungsinstituten übernimmst. Bei all dem technischen Fortschritt und noch immer vielen offenen Fragen ist es eine großartige Zeit, um in der Forschung tätig zu sein!"
2022 kam Sonawane mit einem Humboldt-Stipendium ans MPIE, um an Eisenaluminiden zu arbeiten: „Als ich mich für ein Humboldt-Stipendium bewarb, war das MPIE meine erste Wahl. Da musste ich nicht lange überlegen. Ich hatte die Arbeiten des MPIE verfolgt, insbesondere die zur Mikromechanik. Außerdem haben mich die Erfahrungen einiger älterer Kollegen, die am MPIE gearbeitet haben, und die hochmodernen Einrichtungen, die mir hier für meine Forschung zur Verfügung stehen, in meiner Entscheidung bestärkt“, sagt sie. Eisenaluminide könnten zukünftig in der Luft- und Raumfahrtindustrie Verwendung finden. Eisen ist im Überfluss vorhanden und Aluminium ist leicht. Kombinierte Legierungen aus Eisen und Aluminium sind fest und korrosionsbeständig und damit vielversprechend für den Einsatz unter den extremen Bedingungen wie in Flugzeugturbinen. Gleichzeitig ist noch unklar, wie sich ihr mechanisches Verhalten verändert, wenn sie extremen Belastungsbedingungen wie hohen Temperaturen oder hohen Dehnungsgeschwindigkeiten ausgesetzt werden. Daher untersucht Sonawane die Mikrokompression von Eisenaluminiden mit Hilfe einer Entnetzungstechnik, um verschiedene Legierungskompositionen effizient testen zu können: "Jede kleine Änderung in der Legierungszusammensetzung verändert die Eigenschaften der Legierung. Die Herstellung herkömmlicher Proben ist sehr zeit- und materialaufwändig. Daher stellen wir dünne Schichten aus Eisenaluminiden her, die wir anschließend entnetzen, um Mikropartikel zu bilden, die dann unter hohen Temperaturen und hohen Dehnungsgeschwindigkeiten mechanisch charakterisiert werden. Vorteil dieser Methode ist, dass sie genaue mikromechanische Tests mit hohem Durchlauf ermöglicht“, erklärt Sonawane.
Manchmal scheitern Experimente oder liefern keine brauchbaren Ergebnisse. Deshalb sind Ausdauer und Motivation zwei der wichtigsten Charaktereigenschaften, die eine Wissenschaftlerin haben sollte. Wie die in Indien geborene amerikanische Astronautin Dr. Kalpana Chawla einst sagte: "Der Weg vom Traum zum Erfolg existiert. Mögt ihr die Vision haben, ihn zu finden, den Mut, ihn zu beschreiten, und die Beharrlichkeit, ihm zu folgen“. Dieses Streben, neue Dinge zu lernen, motivierten Sonawane, ihren Weg in der Wissenschaft fortzusetzen: „Den jungen Frauen, die eine wissenschaftliche Karriere anstreben, will ich sagen, dass die Motivation letztlich aus ihrem Inneren kommen muss. Es kann sein, dass ihr auf diesem Weg Rückschläge erleidet, aber eure Geduld und eure Leidenschaft werden euch am Ball bleiben lassen. Außerdem gibt es auf diesem Weg immer Menschen, die einen inspirieren. Für mich ist jeder, dem ich begegnet bin, der mich auf meinem Weg ermutigt und mir neue Dinge beigebracht hat, ein Vorbild - meine Lehrer in der Schule, meine Doktoranden- und Postdoc-Berater und jetzt auch mein Mann. Sie haben mich in meiner Entschlossenheit bestärkt, meinen Traum zu verfolgen."
Sie ist seit 2021 am MPIE und arbeitet in der Abteilung Computergestütztes Materialdesign. Atomistische Simulationen geben Aufschluss über das Verhalten verschiedener Gitterdefekte in Metallen und Legierungen. Smirnova untersucht Superlegierungen auf Ni-Basis, die zum Beispiel in Turbinenschaufeln verwendet werden. Diese Legierungen werden entwickelt, um auch bei hohen Temperaturen eine lange Haltbarkeit und Festigkeit zu gewährleisten. Defekte im Material zu verstehen ist wichtig um Legierungen zu optimieren. Grundlagenforschung, die ihre eigenen Vorzüge hat, wie Smirnova berichtet: „Grundlagenforschung an sich ist eine einzigartige Kombination aus sehr spezifischen praktischen Aufgaben, grundlegenden Fachkenntnissen und kreativer Arbeit. Das Spannendste ist, dass die eigene Arbeit, früher oder später, ihren Platz in einem ganzen Puzzle des Wissens findet und weiterverwendet werden kann. Erkenntnisse aus der Grundlagenforschung können sogar in völlig anderen Fachgebieten eingesetzt werden.“
Eine wissenschaftliche Karriere kann viele wertvolle Erfahrungen und Möglichkeiten bieten: „Besonders freut mich, dass die Naturwissenschaften immer weniger als Männerdomäne angesehen werden. Wenn du also Interesse und Neugierde verspürst, suche dir ein Fachgebiet, das dich ermutigt, nach Antworten zu suchen. Das schafft nicht nur die Grundlage für Forschung, sondern auch für Interaktionen. Und Interaktionen sind in der Wissenschaft am wertvollsten. Menschen aus der ganzen Welt kommen zusammen und durch Konferenzen, Austauschprogramme oder internationale Stipendien ist die akademische Mobilität sehr hoch. Das ist etwas Großartiges und wirklich vorteilhaft für die eigene Karriere.“
Während des Studiums fühlte sich Chakraborty zu Physik und Mathematik hingezogen. Es fühlte sich an, als würde man die Teile eines Puzzles zusammenfügen: „Ich wusste, dass ich in der Physik forschen wollte. Zunächst in der theoretischen Physik, aber jetzt bin ich motivierter mich in Themen einzuarbeiten, die mit aktuellen Fragen unserer Zeit zusammenhängen. Eigenschaften von Materialien zu verstehen war schon immer von großer Bedeutung. So können die schädlichen Auswirkungen von Umweltelementen wie Wasserstoff minimiert werden. Konkret beschäftige ich mich mit Aluminiumlegierungen, die in der Luft- und Raumfahrtindustrie genutzt werden. Daher ist meine Arbeit für die Sicherheit dieser Anwendungen äußerst wichtig", sagt Chakraborty. Wasserstoff kann sich in den meisten Metallen und Legierungen auflösen. Seine Wechselwirkung mit dem Kristallgitter ist z.B. für Eisen, Stahl, Nickel, Zirkonium, Aluminium schädlich. Während ihrer Doktorarbeit untersuchte Chakraborty die Wirkung von Wasserstoff in Zirkonium und Zirkoniumhydriden. Die vielversprechenden Ergebnisse boten interessante Möglichkeiten, an die es sich anzuknüpfen lohnte. Am MPIE begann sie mit einer systematischen Kategorisierung der verschiedenen Arten von Metall-Wasserstoff-Wechselwirkungen in der Kristallstruktur und an den Grenzflächen von Defekten. Ihre atomistische Modellierung half zu verstehen, dass bestimmte metallische Lösungen in Legierungen dazu beitragen können, die schädliche Wirkung von Wasserstoff in Aluminium zu verringern. Eine weitere Studie über Zirkonium und Hydride zeigte, dass Lösungen die Bildung von Defekten verstärken können und so die Eigenschaften der Legierung beeinflussen.
„Das MPIE erleichtert den Zugang zu mehr Menschen (über alle Disziplinen hinweg) und Geräten, als es sonst möglich gewesen wäre. Die Zusammenarbeit und Kommunikation zwischen den Abteilungen ist am MPIE einzigartig. An einem Ort kommen so viele Expertinnen und Experten zusammen und man kann viel lernen. In meinem Fachgebiet ist die interdisziplinäre Zusammenarbeit sehr wichtig, da die chemischen Prozesse von Wasserstoffversprödung in viele andere Fachbereiche hineinwirken. Ein Problem aus der Perspektive all dieser verschiedenen Bereiche zu betrachten, ist der beste Weg, um eine ganzheitliche Lösung zu finden. Zu ihrer Position am MPIE sagt Poulami: „Ich habe die Unabhängigkeit an interessanten wissenschaftlichen Fragen zu arbeiten, die mir wirklich am Herzen liegen. Die Forschungsgruppen mit denen ich hauptsächlich zusammenarbeite (die Gruppen von Baptiste und Tilmann), ermutigen mich, meinen Ideen unabhängig nachzugehen.“
Eines der Vorbilder von Chakraborty ist die Mathematikerin Emmy Noether. In einer Zeit, in der Frauen nicht habilitieren durften, wurde sie zu einer der besten Mathematikerinnen und legte mit ihren physikalischen Theoremen die Grundlagen der modernen Physik. Obwohl sich die Situation der Frauen in der Wissenschaft seither verbessert hat, gibt es immer noch eine Kluft zwischen Frauen, die studieren, und solchen, die eine Professur oder eine Führungsposition innehaben: „Es ist immer herausfordernd, vor allem wenn Frauen eine Familie gründen. Aber es gibt Unterstützungsmöglichkeiten und ich denke, wir sollten sie nutzen. Und an alle Frauen, die sich für die Wissenschaft interessieren: Versucht es, gebt euer Bestes und lasst euch von niemandem sagen, dass es zu schwierig, kompliziert oder beängstigend sei. Wissenschaft ist eine Herausforderung, aber genau das macht sie auch interessant und spaßig. Wir brauchen mehr weibliche Vorbilder, also sei dieses Vorbild“.
Abu-Muhfouz arbeitet in der Forschungsgruppe "Mikroskopie und Beugung" am MPIE. Sie verwendet korrelative Elektronenmikroskopie und atomistische Simulationen, um β-FeSi2-basierte polykristalline Dünnschichten zu untersuchen. Diese Schichten werden für photovoltaische Anwendungen verwendet, die für eine nachhaltige Energieversorgung unverzichtbar sind: „Um die Materialien zu verstehen und sie weiterzuentwickeln, müssen wir die Mechanismen der Mikrostrukturbildung und ihre funktionellen Eigenschaften verstehen. Daran arbeiten wir mit den modernen Methoden, die uns hier am MPIE zur Verfügung stehen“, erklärt Abu-Muhfouz.
Die hochmoderne Forschung war es, die sie motivierte, sich dem Institut anzuschließen. Die gut ausgestatteten Labore, die Spitzentechnologie und die engagierten Forschungsabteilungen. Aber am MPIE fand sie noch mehr als das: „Neben der Ausstattung und den technischen Dingen fand ich hier Unterstützung, Freundschaft, hervorragende Kolleginnen und Kollegen sowie sinnvolle Forschung. Das ist der wahre Kern des MPIE".
Um eine wissenschaftliche Karriere zu verfolgen, muss man sich selbst und seine Ziele sehr gut kennen. Und es gibt einige Dinge, die Abu-Muhfouz jungen Frauen, die in die Wissenschaft gehen wollen, empfehlen würde: „Schränkt euch nicht ein. Seid euch jeder einzelnen Phase bewusst und schätzt sie. Seien es Misserfolge, Hürden oder Erfolgserlebnisse. Sich nicht einzuschränken bedeutet auch, seine Möglichkeiten frühzeitig zu analysieren. Zum Beispiel, indem man sich wissenschaftlichen Gesellschaften anschließt, an Wettbewerben teilnimmt oder sich ehrenamtlich engagiert. Denn wie Paul Brandt eindrucksvoll sagte: "Sag mir nicht, dass der Himmel die Grenze ist, wenn es Fußabdrücke auf dem Mond gibt!"".
Bereits in der Schule begann Dr. Elisa Cantergianis Faszination für die Wissenschaft. Es war schon immer Neugier, wie die Natur funktioniert, die sie antrieb: "Als es an der Zeit war, das Studienfach zu wählen, war es irgendwie logisch, einen naturwissenschaftlichen oder ingenieurwissenschaftlichen Weg einzuschlagen. Werkstofftechnik bot eine ausgewogene Mischung aus Physik, Chemie und industrieller Anwendung". Nach ihrem Abschluss arbeitete sie fünf Jahre lang in der Automobil- und Verpackungsindustrie, bevor sie in die Forschung zurückkehrte, um zu promovieren. Jetzt arbeitet Cantergiani als Postdoktorandin am MPIE an einem Projekt über Aluminium: "Von Getränkedosen bis hin zu Automobil- und Flugzeugteilen ist Aluminium zentral für moderne Industrieanwendungen. Ich arbeite daran, seine Textur und Mikrostruktur zu optimieren, damit es besser formbar und somit nutzbarer wird", erklärt sie. Cantergiani führt Kristallplastizitätssimulationen durch, um die Entwicklung der Mikrostruktur und der Textur vorherzusagen und zu ermitteln, wie das Material beim Warm- und Kaltwalzen optimiert werden kann.
Um tatsächlich die Welt und die Natur verstehen zu können, müssen neue Wege beschritten werden: "In der Forschung und im Ingenieurwesen ist es sehr aufregend, Wissenswege zu beschreiten, die noch niemand zuvor ausprobiert hat. Es kann aber auch frustrierend sein, denn wenn man etwas Neues beginnt und es noch niemand zuvor getan hat, kann man viele Fehler machen. Aber hier kommt die Beharrlichkeit ins Spiel. Letztlich wird man mit der Genugtuung belohnt, der Erste zu sein, der etwas Neues ausprobiert. Das ist es, was die Aufregung ausmacht. Eben das gilt als Ratschlag für junge Frauen, die eine Karriere in der Forschung in Betracht ziehen: "Glaubt an euch und eure Fähigkeiten und bleibt dran, auch wenn ein Projekt nicht wie geplant verläuft oder ihr in einem Umfeld arbeitet, in dem Frauen unterrepräsentiert sind. Als Frau, die in einem von Männern dominierten Umfeld arbeitet, hat man manchmal das Gefühl, dass man sich mehr beweisen muss als die männlichen Kollegen. Das ist schwierig, aber es hilft auch dabei, die eigenen Ziele zu verfolgen, egal was passiert.
Ein Symbol für Widerstandsfähigkeit und Beharrlichkeit
Inspiration für diesen Weg kommt von einem von Cantergianis wissenschaftlichen Idolen, der italienischen Neurobiologin Rita Levi-Montalcini: "Sie ist ein Beispiel für Beharrlichkeit, Leidenschaft und Widerstandskraft im Leben. Trotz der antijüdischen Gesetze, die während des Faschismus in Italien erlassen wurden und ihr den Zugang zu Forschungslaboren an Universitäten verwehrten, behielt sie ihre Kraft und Motivation. Sie baute ein kleines Labor in ihrem Schlafzimmer auf, um weiter zu forschen, bis sie in die USA einwandern konnte. Dort verbrachte sie den größten Teil ihrer Karriere und erhielt 1986 den Nobelpreis für Medizin."