Frauen in der Wissenschaft

Frauen in der Wissenschaft

Männer mit Perücken, Männer mit Bärten, kaum Frauen. Wenn man an berühmte Naturwissenschaftlerinnen und -wissenschaftler denkt, drängen sich Bilder von Männern  auf. Wir alle kennen Newton und Einstein. Zurecht. Aber eher weniger Donna Strickland, die den Laser weiterentwickelte und 2018 mit dem Nobelpreis ausgezeichnet wurde. Die erste Frau seit 1963. Wer kennt Ada Lovelace, die Softwarepionierin, die schon im 19. Jahrhundert die Prinzipien der Informatik formulierte. Oder Stephanie Kwolek, die Frau, die das widerstandsfähige Kevlar entwickelte, welches heute beispielsweise in schusssicheren Westen verwendet wird. 

Die Max-Planck-Gesellschaft setzt sich für eine Förderung von Frauen in der Wissenschaft ein und bietet vielfältige Unterstützungsangebote. Und trotz aller Fortschritte, die in den letzten Jahren gemacht worden sind, fehlt es an Frauen in der Wissenschaft als Inspiration für den wissenschaftlichen Nachwuchs. Daher wollen wir hier Forscherinnen am MPIE vorstellen: Wie sind sie in die Forschung gekommen? Was sind ihre Motivationen oder Vorbilder und was würden sie Schülerinnen raten, die überlegen in die Forschung zu gehen? 

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Tonya Kloos

Tonya Kloos

Trotz vermeintlich „vorgegebenen“ Bildungswege kann man Ziele erreichen, die zuvor als unerreichbar galten. Das zeigt sich besonders deutlich in der bemerkenswerten Geschichte von Tonya Kloos: Gestartet auf der Hauptschule bis hin zur Promotion am Max-Planck-Institut für Eisenforschung (MPIE).

„Starke Frauen standen immer an meiner Seite. Meine Mathe-Nachhilfelehrerin, die trotz meiner schlechten Noten an mich glaubte sowie mein Bachelor-Betreuerin, die mich immer motiviert hat. Sie war es auch, die die Rolle von Frauen in der Wissenschaft betonte, insbesondere die Herausforderungen, denen Frauen begegnen, wenn sie höhere Positionen erreichen wollen. Sie betonte auch die Bedeutung von klaren Zielen und wie man sein Leben darauf ausrichtet. Ich glaube, der wertvollste Rat ist folgender: Wenn du ein Ziel oder einen Traum hast, versuche immer ernsthaft, es zu erreichen. Wenn du es nicht versuchst, wirst du nie wissen, ob du erfolgreich gewesen wärst. Am Ende könntest du dein Leben lang bereuen, es nicht versucht zu haben. Das war wohl einer meiner größten Motivatoren.“

In den 1990er Jahren zogen ihre Eltern von Rumänien nach Fürth in Bayern. Über ihr Aufwachsen reflektiert sie: „Meine Eltern kamen aus einfachen Verhältnissen und lebten in einem ländlichen Teil Rumäniens. Die Idee, zur Universität zu gehen oder Karriere in der Forschung zu machen, schien anfangs völlig absurd.“ Kloos' Bildungsweg begann an der Hauptschule und von dort aus stieg sie allmählich die Bildungsleiter hinauf, durch verschiedene Schulformen, von der Wirtschaftsschule über die Fachoberschule bis hin zum Abitur.

Der Schlüsselmoment für Kloos ereignete sich bei einem Besuch der Nacht der Wissenschaften in Erlangen, begleitet von ihrem Onkel. An der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen (FAU) hatte sie ihre erste Begegnung mit materialwissenschaftlichen Experimenten und Elektronenmikroskopen. Sie war fasziniert. In diesem Moment war die Entscheidung klar: Trotz aller Hindernisse sollte es eine wissenschaftliche Karriere werden: „Ich hatte Probleme mit Mathe, litt unter Prüfungsangst und brauchte zusätzliche Nachhilfe nach der Schule. Meine Schule bot nicht einmal Kurse in Physik oder Chemie an. Trotzdem wollte ich gut in Mathe sein, und sagte mir, dass ich versuchen würde, Naturwissenschaften zu studieren. Scheitern war schließlich das Schlimmste, was passieren könnte.“
Kloos begann ihr Studium an der FAU, studierte Nanotechnologie im Bachelor und Materialwissenschaften im anschließenden Masterstudium. Ohne vorherige Kenntnisse in Chemie oder Physik in der Schule war der Studienbeginn an der Universität eine große Herausforderung: „Die ersten Semester meines Bachelorstudiums waren hart. Alle anderen hatten zumindest ein grundlegendes Verständnis von chemischen Reaktionen und Bewegungsgleichungen. Alle anderen erledigten ihre Hausaufgaben schneller als ich. Dementsprechend musste ich zusätzliche Zeit ins Selbststudium investieren. Ich habe Bücher wie 'Physik für Dummies' gelesen, um das aufzuholen, was ich in der Schule nicht hatte lernen können.“

Nach Abschluss ihres Masterstudiums suchte Kloos nach neuen Möglichkeiten und wie es das Schicksal wollte, kreuzten sich während eines Symposiums in Erlangen ihr Weg mit Prof. Christina Scheu, Gruppenleiterin am MPIE: „Ich hatte immer den Wunsch, in der mikro- und nanostrukturellen Analyse zu arbeiten. Die Möglichkeit, Mikroskope zur Visualisierung einzelner Atome zu verwenden, hat für mich immer noch einen Hauch von Magie. Außerdem passte Christinas Fokus auf erneuerbare Energien perfekt zu meinen Interessen. Dass ich diese Stelle am MPIE bekommen habe erscheint mir immer noch etwas surreal. Damals während des Bachelors haben meine Freunde und ich oft davon geträumt, hier zu arbeiten. Wir bewunderten die Forscherinnen und Forscher. Jetzt bin ich tatsächlich hier, zusammen mit einigen meiner Kolleginnen und Kollegen aus diesen frühen Jahren.“
 
Anna Shelyug

Dr. Anna Shelyug

„Warum ist der Himmel blau?“ Auf den ersten Blick eine triviale Frage. Doch sie macht neugierig wie sich die Welt mit einem systematischen Ansatz erklären lässt. Genauso wirkte die Frage auf Dr. Anna Shelyug.

Shelyug absolvierte eine technische Ausbildung und einen Abschluss in analytischer Chemie. Zu diesem Zeitpunkt war der Weg in die Forschung noch kein Thema. Erst später verlagerte sich ihr Interesse auf die Materialwissenschaften und sie promovierte an der University of California-Davis (USA). Über ihren Werdegang sagt sie: „In dieser Zeit habe ich meine Leidenschaft für die Forschung in den Materialwissenschaften wirklich entdeckt. Forschung bietet konkrete Antworten und stützt sich weniger auf Gefühle, sondern auf Naturgesetze. Es ist eine Welt der Gewissheit, in der klar zwischen richtig und falsch unterschieden werden kann.“

Anfang 2023 kam Shelyug durch ein Humboldt-Stipendium zum MPIE. Ihr derzeitiger Schwerpunkt liegt darauf, Eisenerze mit Hilfe von Wasserstoffplasma effizient zu reduzieren: “In einem ersten Schritt mache ich mich mit den mir zur Verfügung stehenden Werkzeugen, wie dem Lichtbogenofen, vertraut. Ich möchte die Auswirkungen verschiedener experimenteller Bedingungen auf das Wasserstoffplasma und seine Reduktionsfähigkeit verstehen. Momentan stelle ich zahlreiche Proben her, um möglichst viel Metall zu extrahieren und gleichzeitig den Energie- und Ressourcenaufwand zu minimieren. Im Wesentlichen variiere ich jedes Mal die Plasmaparameter, um die Menge des extrahierten Metalls zu bestimmen. Das ist eine wesentliche Voraussetzung für das, was vor uns liegt: Die Wirkung zwischen Plasma und Metall zu verstehen und die Reduktion industriell anwendbar zu machen. Die Ergebnisse kommen aber auch der Fusionsenergie zugute, wo Wasserstoffplasma schädliche Veränderungen an Baumaterialien verursacht.“

Balanceakt Karriere und Privatleben


Für Anna Shelyug ist eine Forschungskarriere nicht vom Geschlecht abhängig, sondern vielmehr von der persönlichen Motivation. Eltern sollten ihre Kinder an wissenschaftliche Konzepte heranführen und gleich behandeln, unabhängig von ihrem Geschlecht: „Jeder Mensch hat das Recht, der zu werden, der er sein möchte, ohne gesellschaftliche Erwartungen“, erklärt sie. Dementsprechend hat sie kein bestimmtes weibliches Vorbild, sondern lässt sich von all jenen inspirieren, die ihre Arbeit erfolgreich mit ihrem Privatleben verbinden: „Diese Balance ist nach wie vor eine große Herausforderung, insbesondere für Frauen mit Kindern. Einige entscheiden sich dafür, ihre Arbeit aufzugeben und Mutter zu werden, während andere weiterarbeiten oder sich dafür entscheiden, gar keine Kinder zu bekommen. Entscheidend ist, dass diese Frauen unabhängig von Familie oder Geschlechterrollen die Freiheit haben, ihre Lebensentscheidungen zu treffen. Wenn man sie bereut, kann man immer noch seine Pläne ändern.“

Shelyug weiß aus eigener Erfahrung, wie schwierig es ist, private und berufliche Aspekte des Lebens unter einen Hut zu bringen: „Mein Mann ist eine große Unterstützung für mich. Da wir jedoch beide im gleichen Bereich arbeiten und in unseren Karrieren weiterkommen wollen, sind ständige Diskussionen über berufliche Verpflichtungen und Lebensentscheidungen erforderlich. Und obwohl die Ehe in der Regel als Suche nach Kompromissen oder als eine Art Opfer betrachtet wird, bin ich der festen Überzeugung, dass die Bedürfnisse jedes Einzelnen erfüllt werden können; manchmal ist es nur nicht gleich ersichtlich.“

Mit Blick auf die Zukunft möchte Shelyug neue Chancen ergreifen, die sich ihr bieten. Klar ist, dass diese Erfahrungen herausfordernd sind, aber sie betont auch die enormen Vorteile, die sich daraus ergeben. Erfahrungen tragen nicht nur zur wissenschaftlichen Entwicklung bei, sondern fördern auch die Persönlichkeit: „Ich kann jedem nur empfehlen, Erfahrungen zu sammeln. Sie verwandeln  nicht nur deine Art wissenschaftlich zu denken, sondern auch deinen Charakter. Das ist von immenser Bedeutung.“

 
Shalini Bhatt

Shalini Bhatt

Hackathons sind gemeinsame Programmierevents. Man mag direkt ans Silicon Valley oder andere Tech-Hotspots denken, aber auch am MPIE wird fleißig kollaborativ getüftelt wie Shalini Bhatt zu erzählen weiß.

Bhatt ist in Indien aufgewachsen und ihre Neugierde darüber wie die Welt funktioniert ging schnell über Schulbücher und Prüfungen hinaus. Deshalb entschied sie sich für die Wissenschaft und studierte Physik im Bachelor- und Masterstudium: „Die Physik hat eine Logik für alles. Sie liegt jedem Stück moderner Technologie wie Smartphones oder dem Internet zugrunde. Von der Erde bis zu den entferntesten Sternen ist sie anwendbar. Die perfekte Wahl, um die Grundlagen dessen, was uns umgibt, zu verstehen.“

Nach ihrem Masterabschluss arbeitete Bhatt als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Karlsruher Institut für Technologie auf dem Gebiet der Molekulardynamik und später am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt an thermoelektrischen Transportmaterialien unter Verwendung der Dichtefunktionaltheorie (DFT). So konnte sie erste Erfahrungen sammeln und das, was sie auf dem Papier wusste, auf reale Moleküle anwenden. Bhatt kam über das Doktorandenprogramm SurMat zum MPIE und arbeitet in der Forschungsgruppe „Defektchemie und Spektroskopie“ am Orbitalkontrast in der Feldionenmikroskopie (FIM). FIM ist eine relativ alte Technik, kann aber in Kombination mit neueren Methoden wertvolle Erkenntnisse liefern: „FIM ermöglicht es, einzelne Atome auf einer Oberfläche abzubilden, wodurch wir Defekte oder Verunreinigungen sichtbar machen können. Konkret bilden wir den Ionisationskontrast ab, der durch die elektronische Struktur der abgebildeten Oberfläche entsteht. In Kombination mit DFT-Berechnungen arbeiten wir daran, diese chemischen Kontraste auf Legierungsoberflächen zu verstehen und unsere Simulationen mit experimentellen Ergebnissen abzugleichen“, erklärt Bhatt.

Gemeinsam besser arbeiten

Die meisten wissenschaftlichen Herausforderungen werden nicht in ein paar Minuten oder Stunden gelöst, eher in Monaten. Dieser Prozess des Lernens und des ständigen Probierens von etwas Neuem ist jedoch Teil der Faszination, die Bhatt für Forschung hat: „Es geht nicht in erster Linie darum, einen Abschluss zu erwerben, oder Geld zu verdienen. Es geht um das Lernen. Es ist großartig, wenn Ihre Simulationen funktionieren, und noch besser, wenn Sie etwas zum Wohl der Gesellschaft beitragen können. Aber es kann ebenso fruchtbar sein, wenn etwas nicht auf Anhieb klappt.“ Am MPIE hat sie ein Arbeitsumfeld gefunden, das nicht nur ihren wissenschaftlichen Fokus, sondern auch ihre Lernambitionen unterstützt: „Man sitzt nicht den ganzen Tag allein in seinem Büro. Vor allem meine Abteilung ermutigt dazu, zusammenzukommen, Arbeit und Ideen zu teilen. Jede Woche veranstalten wir Hackathons und Treffen, bei denen wir mit unseren verschiedenen Projekten, Problemen, Fragen und Vorschlägen zusammenkommen. Ich habe noch nie ein so nettes Arbeitsumfeld erlebt. Die Art und Weise, wie hier gearbeitet wird, hat es mir sehr leicht gemacht, mich am MPIE einzuleben“, erklärt sie.

Obwohl Probleme und Ideen gemeinsam besprochen werden, ist letztlich die eigene Motivation entscheidend: „Man muss hungrig nach Informationen und begierig sein, neue Dinge zu lernen. Wenn man hungrig ist, sieht alles wie Essen aus und man bleibt bereit, neue Wege zu gehen. Noch besser ist es, wenn du Familie, Freunde oder Partner hast, die dich auf deinem Weg unterstützen.“ Jemand, der ihren Weg gegangen ist und Bhatt inspiriert hat, ist die Physikerin Marie Curie: „Sie gewann zwei Nobelpreise und opferte tragischerweise ihr Leben für ihre Forschungen über Radioaktivität. All das ohne die Labore, die wir heute haben. Zum Glück haben wir heute bessere Sicherheitsstandards, aber Marie Curie, ihr Einsatz und ihre Hingabe bleiben für mich unvergesslich und inspirierend.“
 
Sravya Tekumalla

Dr. Sravya Tekumalla

Industrieanlagen, Wolkenkratzer, Autos oder Flugzeuge - das sind die ersten Anwendungen, an die man denkt, wenn von Metallen gesprochen wird. Doch die Materialwissenschaft ist vielseitig und auch im medizinischen Bereich von großem Wert. In der Forschung von Dr. Sravya Tekumalla am MPIE dreht sich alles um Metalle für Implantate im menschlichen Körper.

Tekumalla ist in einem akademischen Umfeld aufgewachsen: Sie stammt aus einer Familie von Doktoranden mit bedeutenden akademischen Erfolgen. Ihr Großvater ist Professor, ihre Mutter hat in Wirtschaftsingenieurwesen promoviert und ihre Schwester in Datenwissenschaften. Trotz ihres familiären Hintergrundes war es etwas anderes das den Ausschlag dafür gab, eine wissenschaftliche Laufbahn einzuschlagen: "Vor mehr als neun Jahren verbrachte ich als Forschungspraktikantin einige Zeit in Deutschland am Helmholtz-Zentrum Berlin für Materialien und Energie. Dort wurde der Samen des Interesses an einer wissenschaftlichen Karriere gepflanzt und wuchs bis zum heutigen Tag zu einer Promotion und einem Postdoc“, sagt sie. „Es macht mir wirklich Spaß, jeden Tag neue Probleme zu lösen. Forschung regt nicht nur die logische und analytische Seite des Gehirns, sondern fordert auch die kreative Seite an, neue Lösungen zu finden.“

Roboterarme und Implantate

Seit 2021 arbeitet sie in der Abteilung für Mikrostrukturphysik und Legierungsdesign am MPIE im Bereich der additiven Fertigung von Metallen. In ihrer Forschung geht es um die Entwicklung von 3D-gedruckten Niedrigmodul-Titanlegierungen für biomedizinische Anwendungen. „Im Vergleich zu rostfreien Stählen mit hoher Steifigkeit haben Beta-Titan-Legierungen einen niedrigeren Elastizitätsmodul (weniger als die Hälfte des Moduls von Stählen). Dieser niedrige Modul ermöglicht eine bessere Anpassung an die vorhandene Knochenstruktur, indem er die spannungsabschirmende Wirkung abschwächt und so eine Implantatlockerung, ein vorzeitiges Versagen oder einen möglichen Knochenverlust verhindert.“ Diese Eigenschaft kann durch den 3D-Druck weiter verbessert werden: „Mit dem 3D-Druck können wir die Anatomie eines Patienten rekonstruieren und ein maßgeschneidertes Implantat drucken, das genau zu seinem Körper und seiner Knochenstruktur passt“, erklärt Tekumalla. Um die Eigenschaften von 3D-gedruckten Titanlegierungen zu verstehen und zu verbessern, muss man tief in ihre komplexen und unkonventionellen Mikrostrukturen blicken. Werkstoffeigenschaften wie der Elastizitätsmodul und das Ermüdungsverhalten werden von der Zusammensetzung dieser Mikrostruktur beeinflusst: „Normalerweise verstehen wir Werkstoffe anhand ihrer zweidimensionalen Querschnitte, indem wir die Oberflächen polieren und mikroskopische Untersuchungen durchführen. Da additiv gefertigte Werkstoffe sehr ungewöhnliche Mikrostrukturen haben, kann nur eine dreidimensionale Perspektive vollständige Einblicke in die Mikrostruktur und die komplexe thermische Entwicklung des Werkstoffs geben. Am MPIE verfügen wir über ein selbstgebautes, vollautomatisches 3D-EBSD-System mit einem Polierroboter, der die Proben poliert, und einem Roboterarm, der die polierten Proben in das Mikroskop legt. Wenn dieser Prozess 200 oder 300 Mal automatisch Schicht für Schicht wiederholt wird, erhält man mehrere zweidimensionale Karten, die dann zu einem dreidimensionalen Datensatz zusammengefügt werden können, der die gesamte Mikrostruktur wiederspiegelt. Das ist wirklich beeindruckend und hilft uns, reliable und leicht zu interpretierende Ergebnisse zu erhalten. Außerdem spart uns die Automatisierung Zeit und Mühe bei der manuellen Probenvorbereitung."

Erfahrung ist der Schlüssel

Praktische Erfahrungen zu sammeln ist etwas, das Tekumalla jedem empfiehlt, der mit dem Gedanken spielt, in die Forschung zu gehen: „Wissenschaft ist sehr lohnend und erfordert viel Geduld, vor allem in einem Forschungsbereich, der so viele Anwendungsmöglichkeiten hat - von Autos oder Gebäuden bis hin zu medizinischen Implantaten. Um herauszufinden, ob die Forschung etwas für dich ist, solltest du mit einem kurzen Forschungsaufenthalt beginnen und ein Gefühl dafür bekommen, indem du praktische Forschungserfahrung sammelst. Zum Beispiel, indem du Forschungsprojekte mit Professoren an Universitäten oder Forschungsinstituten übernimmst. Bei all dem technischen Fortschritt und noch immer vielen offenen Fragen ist es eine großartige Zeit, um in der Forschung tätig zu sein!"
 
Dipali Sonawane

Dr. Dipali Sonawane

Unterstützung durch die Familie und eigene Beharrlichkeit sind alles. Ohne Unterstützung reicht Beharrlichkeit allein nicht, aber ohne Beharrlichkeit kann einem alle Unterstützung der Welt nicht helfen. Dipali Sonawane kombinierte beides und schlug eine wissenschaftliche Laufbahn ein.

„In meiner Schulzeit war ich immer fasziniert von Laborexperimenten in Physik oder Chemie. In Geschichte oder Geografie bekommt man Informationen vermittelt. In den Naturwissenschaften hat man die Chance Gelerntes auch anzuwenden. Das und die Auswirkungen, die Wissenschaftler und ihre Forschung auf unser tägliches Leben haben hat mich motiviert in die Wissenschaft zu gehen. Die Entdeckungen von Albert Einstein, Marie Curie und vielen anderen standen in unseren Lehrbüchern, aber ich habe mich immer gefragt, wie sie tatsächlich forschten“, sagt Sonawane. Nach der Schule studierte Sonawane Maschinenbau und promovierte im Bereich Werkstofftechnik. Ein ungewöhnlicher Weg in ihrer Familie und Umfeld: „Ich wurde in einer Bauernfamilie geboren und bin die erste, die einen Doktortitel und sogar einen Ingenieurabschluss hat. In meinem Dorf wunderten sich die Leute, warum meine Eltern mich nicht verheiratet haben und stattdessen meine Entscheidung für höhere Bildung unterstützten. Obwohl keiner meiner Eltern eine wissenschaftliche Ausbildung hat, haben sie meine Entscheidungen unterstützt und mich und meine jüngeren Geschwister immer ermutigt. Es ist noch nicht ganz klar, wo ich lande, aber mein Weg durch die Forschung und das, was ich auf diesem Weg lerne, sind für mich genauso wichtig. Mit der Unterstützung meines Umfeldes und meiner Entschlossenheit ist alles möglich.“

2022 kam Sonawane mit einem Humboldt-Stipendium ans MPIE, um an Eisenaluminiden zu arbeiten: „Als ich mich für ein Humboldt-Stipendium bewarb, war das MPIE meine erste Wahl. Da musste ich nicht lange überlegen. Ich hatte die Arbeiten des MPIE verfolgt, insbesondere die zur Mikromechanik. Außerdem haben mich die Erfahrungen einiger älterer Kollegen, die am MPIE gearbeitet haben, und die hochmodernen Einrichtungen, die mir hier für meine Forschung zur Verfügung stehen, in meiner Entscheidung bestärkt“, sagt sie. Eisenaluminide könnten zukünftig in der Luft- und Raumfahrtindustrie Verwendung finden. Eisen ist im Überfluss vorhanden und Aluminium ist leicht. Kombinierte Legierungen aus Eisen und Aluminium sind fest und korrosionsbeständig und damit vielversprechend für den Einsatz unter den extremen Bedingungen wie in Flugzeugturbinen. Gleichzeitig ist noch unklar, wie sich ihr mechanisches Verhalten verändert, wenn sie extremen Belastungsbedingungen wie hohen Temperaturen oder hohen Dehnungsgeschwindigkeiten ausgesetzt werden. Daher untersucht Sonawane die Mikrokompression von Eisenaluminiden mit Hilfe einer Entnetzungstechnik, um verschiedene Legierungskompositionen effizient testen zu können: "Jede kleine Änderung in der Legierungszusammensetzung verändert die Eigenschaften der Legierung. Die Herstellung herkömmlicher Proben ist sehr zeit- und materialaufwändig. Daher stellen wir dünne Schichten aus Eisenaluminiden her, die wir anschließend entnetzen, um Mikropartikel zu bilden, die dann unter hohen Temperaturen und hohen Dehnungsgeschwindigkeiten mechanisch charakterisiert werden. Vorteil dieser Methode ist, dass sie genaue mikromechanische Tests mit hohem Durchlauf ermöglicht“, erklärt Sonawane.

Manchmal scheitern Experimente oder liefern keine brauchbaren Ergebnisse. Deshalb sind Ausdauer und Motivation zwei der wichtigsten Charaktereigenschaften, die eine Wissenschaftlerin haben sollte. Wie die in Indien geborene amerikanische Astronautin Dr. Kalpana Chawla einst sagte: "Der Weg vom Traum zum Erfolg existiert. Mögt ihr die Vision haben, ihn zu finden, den Mut, ihn zu beschreiten, und die Beharrlichkeit, ihm zu folgen“. Dieses Streben, neue Dinge zu lernen, motivierten Sonawane, ihren Weg in der Wissenschaft fortzusetzen: „Den jungen Frauen, die eine wissenschaftliche Karriere anstreben, will ich sagen, dass die Motivation letztlich aus ihrem Inneren kommen muss. Es kann sein, dass ihr auf diesem Weg Rückschläge erleidet, aber eure Geduld und eure Leidenschaft werden euch am Ball bleiben lassen. Außerdem gibt es auf diesem Weg immer Menschen, die einen inspirieren. Für mich ist jeder, dem ich begegnet bin, der mich auf meinem Weg ermutigt und mir neue Dinge beigebracht hat, ein Vorbild - meine Lehrer in der Schule, meine Doktoranden- und Postdoc-Berater und jetzt auch mein Mann. Sie haben mich in meiner Entschlossenheit bestärkt, meinen Traum zu verfolgen."
 
Daria Smirnova

Dr. Daria Smirnova

Nichts ist vorherbestimmt. Aber manchmal sind es die Umstände, die einen gewissen Weg nahelegen. Bereits im Vorschulalter beschäftigte sich Dr. Daria Smirnova mit der Natur von Metallen. Familie und Freunde waren in physikalischen und mathematischen Berufen tätig. Umstände, die mit dazu beigetragen haben eine wissenschaftliche Laufbahn einzuschlagen.

„Ich habe in der Abteilung für Physikalische Chemie am Institut für Stahl und Legierungen meiner Universität studiert. Dort gab es eine große Vielfalt an Kursen und Themen: Von sehr grundlegenden bis zu spezifisch anwendbaren: Materialverarbeitung, Probenvorbereitung, physikalische und chemische Tests. Eine solche Vielfalt ist sehr nützlich für das Verständnis der Zusammenhänge in den Materialwissenschaften. Das ermutigt, sein eigenes Interesse zu finden. Mich persönlich hat die Simulation von Materialien im atomaren Maßstab schon sehr früh interessiert. Nach meinem Universitätsabschluss habe ich mich in diesem Bereich durch ein Postgraduiertenstudium in einem Labor für Hochleistungs-Materialsimulationen weiter spezialisiert“, erzählt Smirnova.

Sie ist seit 2021 am MPIE und arbeitet in der Abteilung Computergestütztes Materialdesign. Atomistische Simulationen geben Aufschluss über das Verhalten verschiedener Gitterdefekte in Metallen und Legierungen. Smirnova untersucht Superlegierungen auf Ni-Basis, die zum Beispiel in Turbinenschaufeln verwendet werden. Diese Legierungen werden entwickelt, um auch bei hohen Temperaturen eine lange Haltbarkeit und Festigkeit zu gewährleisten. Defekte im Material zu verstehen ist wichtig um Legierungen zu optimieren. Grundlagenforschung, die ihre eigenen Vorzüge hat, wie Smirnova berichtet: „Grundlagenforschung an sich ist eine einzigartige Kombination aus sehr spezifischen praktischen Aufgaben, grundlegenden Fachkenntnissen und kreativer Arbeit. Das Spannendste ist, dass die eigene Arbeit, früher oder später, ihren Platz in einem ganzen Puzzle des Wissens findet und weiterverwendet werden kann. Erkenntnisse aus der Grundlagenforschung können sogar in völlig anderen Fachgebieten eingesetzt werden.“

Eine wissenschaftliche Karriere kann viele wertvolle Erfahrungen und Möglichkeiten bieten: „Besonders freut mich, dass die Naturwissenschaften immer weniger als Männerdomäne angesehen werden. Wenn du also Interesse und Neugierde verspürst, suche dir ein Fachgebiet, das dich ermutigt, nach Antworten zu suchen. Das schafft nicht nur die Grundlage für Forschung, sondern auch für Interaktionen. Und Interaktionen sind in der Wissenschaft am wertvollsten. Menschen aus der ganzen Welt kommen zusammen und durch Konferenzen, Austauschprogramme oder internationale Stipendien ist die akademische Mobilität sehr hoch. Das ist etwas Großartiges und wirklich vorteilhaft für die eigene Karriere.“
Poulami Chakraborty

Dr. Poulami Chakraborty

Lehrer*innen und das Schulleben prägen uns schon in jungen Jahren und können entscheidend für unsere künftige Laufbahn sein. Stellen Sie sich vor, wie einflussreich es ist, wenn Sie zu einem Thema ermutigt und begeistert werden, oder wenn man Ihnen sagt, dass Sie dazu nicht fähig sind.

 „Naturwissenschaften oder Mathe sind nicht schwieriger als andere Fächer, obwohl sie diesen Ruf haben. Für mich ist Kunst viel schwieriger, weil sie keine Struktur hat. In Mathe ist 2+2 gleich 4, und zwar immer. Letztlich kommt es auf den Enthusiasmus der Lehrer an und auf die Art, wie sie die Dinge erklären. Einige Schüler, die in der Schule gescheitert sind, wurden später zu den größten Mathematikern oder Wissenschaftlern. Es gibt also keine von Natur aus schlechten Schüler, oder schwierige Fächer: Es kommt auf die Art und Weise an, wie sie einem beigebracht werden“, erklärt Chakraborty.

Während des Studiums fühlte sich Chakraborty zu Physik und Mathematik hingezogen. Es fühlte sich an, als würde man die Teile eines Puzzles zusammenfügen: „Ich wusste, dass ich in der Physik forschen wollte. Zunächst in der theoretischen Physik, aber jetzt bin ich motivierter mich in Themen einzuarbeiten, die mit aktuellen Fragen unserer Zeit zusammenhängen. Eigenschaften von Materialien zu verstehen war schon immer von großer Bedeutung. So können die schädlichen Auswirkungen von Umweltelementen wie Wasserstoff minimiert werden. Konkret beschäftige ich mich mit Aluminiumlegierungen, die in der Luft- und Raumfahrtindustrie genutzt werden. Daher ist meine Arbeit für die Sicherheit dieser Anwendungen äußerst wichtig", sagt Chakraborty. Wasserstoff kann sich in den meisten Metallen und Legierungen auflösen. Seine Wechselwirkung mit dem Kristallgitter ist z.B. für Eisen, Stahl, Nickel, Zirkonium, Aluminium schädlich. Während ihrer Doktorarbeit untersuchte Chakraborty die Wirkung von Wasserstoff in Zirkonium und Zirkoniumhydriden. Die vielversprechenden Ergebnisse boten interessante Möglichkeiten, an die es sich anzuknüpfen lohnte. Am MPIE begann sie mit einer systematischen Kategorisierung der verschiedenen Arten von Metall-Wasserstoff-Wechselwirkungen in der Kristallstruktur und an den Grenzflächen von Defekten. Ihre atomistische Modellierung half zu verstehen, dass bestimmte metallische Lösungen in Legierungen dazu beitragen können, die schädliche Wirkung von Wasserstoff in Aluminium zu verringern. Eine weitere Studie über Zirkonium und Hydride zeigte, dass Lösungen die Bildung von Defekten verstärken können und so die Eigenschaften der Legierung beeinflussen.

„Das MPIE erleichtert den Zugang zu mehr Menschen (über alle Disziplinen hinweg) und Geräten, als es sonst möglich gewesen wäre. Die Zusammenarbeit und Kommunikation zwischen den Abteilungen ist am MPIE einzigartig. An einem Ort kommen so viele Expertinnen und Experten zusammen und man kann viel lernen. In meinem Fachgebiet ist die interdisziplinäre Zusammenarbeit sehr wichtig, da die chemischen Prozesse von Wasserstoffversprödung in viele andere Fachbereiche hineinwirken. Ein Problem aus der Perspektive all dieser verschiedenen Bereiche zu betrachten, ist der beste Weg, um eine ganzheitliche Lösung zu finden. Zu ihrer Position am MPIE sagt Poulami: „Ich habe die Unabhängigkeit an interessanten wissenschaftlichen Fragen zu arbeiten, die mir wirklich am Herzen liegen. Die Forschungsgruppen mit denen ich hauptsächlich zusammenarbeite (die Gruppen von Baptiste und Tilmann), ermutigen mich, meinen Ideen unabhängig nachzugehen.“

Eines der Vorbilder von Chakraborty ist die Mathematikerin Emmy Noether. In einer Zeit, in der Frauen nicht habilitieren durften, wurde sie zu einer der besten Mathematikerinnen und legte mit ihren physikalischen Theoremen die Grundlagen der modernen Physik. Obwohl sich die Situation der Frauen in der Wissenschaft seither verbessert hat, gibt es immer noch eine Kluft zwischen Frauen, die studieren, und solchen, die eine Professur oder eine Führungsposition innehaben: „Es ist immer herausfordernd, vor allem wenn Frauen eine Familie gründen. Aber es gibt Unterstützungsmöglichkeiten und ich denke, wir sollten sie nutzen. Und an alle Frauen, die sich für die Wissenschaft interessieren: Versucht es, gebt euer Bestes und lasst euch von niemandem sagen, dass es zu schwierig, kompliziert oder beängstigend sei. Wissenschaft ist eine Herausforderung, aber genau das macht sie auch interessant und spaßig. Wir brauchen mehr weibliche Vorbilder, also sei dieses Vorbild“.
 
Maram Abu-Muhfouz

Maram Abu-Muhfouz

Um 800 n. Chr.: Fatima al-Fihri, Tochter eines wohlhabenden tunesischen Kaufmanns, gründet die Al-Qarawiyyin-Moschee in Marokko. Diese Moschee wurde zu einer der ältesten noch arbeitenden höheren Bildungseinrichtungen, die Abschlüsse vergibt. Die Universität von al-Qarawiyyin wurde 1963 offiziell als Universität institutionalisiert.
 

Eine Universität zu gründen, um zu lernen, Wissen zu bewahren und anspruchsvolle Aufgaben zu lösen: Dieses Engagement fasziniert Maram Abu-Muhfouz, Doktorandin am MPIE: „Ich habe mich schon immer für Elektronik, Wissenschaft und der Funktionsweise des Universums im Allgemeinen interessiert. Schon als Kind war ich angezogen von Unbekanntem und Ungelöstem. Dass ich dieser Faszination nun als Karrierepfad nachgehen kann, ist etwas, wofür ich sehr dankbar bin.“

Abu-Muhfouz arbeitet in der Forschungsgruppe "Mikroskopie und Beugung" am MPIE. Sie verwendet korrelative Elektronenmikroskopie und atomistische Simulationen, um β-FeSi2-basierte polykristalline Dünnschichten zu untersuchen. Diese Schichten werden für photovoltaische Anwendungen verwendet, die für eine nachhaltige Energieversorgung unverzichtbar sind: „Um die Materialien zu verstehen und sie weiterzuentwickeln, müssen wir die Mechanismen der Mikrostrukturbildung und ihre funktionellen Eigenschaften verstehen. Daran arbeiten wir mit den modernen Methoden, die uns hier am MPIE zur Verfügung stehen“, erklärt Abu-Muhfouz.

Die hochmoderne Forschung war es, die sie motivierte, sich dem Institut anzuschließen. Die gut ausgestatteten Labore, die Spitzentechnologie und die engagierten Forschungsabteilungen. Aber am MPIE fand sie noch mehr als das: „Neben der Ausstattung und den technischen Dingen fand ich hier Unterstützung, Freundschaft, hervorragende Kolleginnen und Kollegen sowie sinnvolle Forschung. Das ist der wahre Kern des MPIE".  

Um eine wissenschaftliche Karriere zu verfolgen, muss man sich selbst und seine Ziele sehr gut kennen. Und es gibt einige Dinge, die Abu-Muhfouz jungen Frauen, die in die Wissenschaft gehen wollen, empfehlen würde: „Schränkt euch nicht ein. Seid euch jeder einzelnen Phase bewusst und schätzt sie. Seien es Misserfolge, Hürden oder Erfolgserlebnisse. Sich nicht einzuschränken bedeutet auch, seine Möglichkeiten frühzeitig zu analysieren. Zum Beispiel, indem man sich wissenschaftlichen Gesellschaften anschließt, an Wettbewerben teilnimmt oder sich ehrenamtlich engagiert. Denn wie Paul Brandt eindrucksvoll sagte: "Sag mir nicht, dass der Himmel die Grenze ist, wenn es Fußabdrücke auf dem Mond gibt!"".
 
Elisa Cantergiani

Dr. Elisa Cantergiani

Ausdauer, Leidenschaft und Widerstandskraft sind wichtige Charaktereigenschaften im wissenschaftlichen Bereich. Besonders dann, wenn man sich in männerdominierten Disziplinen durchsetzen muss. Und noch mehr, wenn man mit Rückschlägen zu kämpfen hat. Seien es Experimente, die nicht funktionieren wie geplant, oder gesellschaftliche Umstände.

Neue Wissenswege beschreiten

Bereits in der Schule begann Dr. Elisa Cantergianis Faszination für die Wissenschaft. Es war schon immer Neugier, wie die Natur funktioniert, die sie antrieb: "Als es an der Zeit war, das Studienfach  zu wählen, war es irgendwie logisch, einen naturwissenschaftlichen oder ingenieurwissenschaftlichen Weg einzuschlagen. Werkstofftechnik bot eine ausgewogene Mischung aus Physik, Chemie und industrieller Anwendung". Nach ihrem Abschluss arbeitete sie fünf Jahre lang in der Automobil- und Verpackungsindustrie, bevor sie in die Forschung zurückkehrte, um zu promovieren. Jetzt arbeitet Cantergiani als Postdoktorandin am MPIE an einem Projekt über Aluminium: "Von Getränkedosen bis hin zu Automobil- und Flugzeugteilen ist Aluminium zentral für moderne Industrieanwendungen. Ich arbeite daran, seine Textur und Mikrostruktur zu optimieren, damit es besser formbar und somit nutzbarer wird", erklärt sie. Cantergiani führt Kristallplastizitätssimulationen durch, um die Entwicklung der Mikrostruktur und der Textur vorherzusagen und zu ermitteln, wie das Material beim Warm- und Kaltwalzen optimiert werden kann.

Um tatsächlich die Welt und die Natur verstehen zu können, müssen neue Wege beschritten werden: "In der Forschung und im Ingenieurwesen ist es sehr aufregend, Wissenswege zu beschreiten, die noch niemand zuvor ausprobiert hat. Es kann aber auch frustrierend sein, denn wenn man etwas Neues beginnt und es noch niemand zuvor getan hat, kann man viele Fehler machen. Aber hier kommt die Beharrlichkeit ins Spiel. Letztlich wird man mit der Genugtuung belohnt, der Erste zu sein, der etwas Neues ausprobiert. Das ist es, was die Aufregung ausmacht. Eben das gilt als Ratschlag für junge Frauen, die eine Karriere in der Forschung in Betracht ziehen: "Glaubt an euch und eure Fähigkeiten und bleibt dran, auch wenn ein Projekt nicht wie geplant verläuft oder ihr in einem Umfeld arbeitet, in dem Frauen unterrepräsentiert sind. Als Frau, die in einem von Männern dominierten Umfeld arbeitet, hat man manchmal das Gefühl, dass man sich mehr beweisen muss als die männlichen Kollegen. Das ist schwierig, aber es hilft auch dabei, die eigenen Ziele zu verfolgen, egal was passiert.

Ein Symbol für Widerstandsfähigkeit und Beharrlichkeit

Inspiration für diesen Weg kommt von einem von Cantergianis wissenschaftlichen Idolen, der italienischen Neurobiologin Rita Levi-Montalcini: "Sie ist ein Beispiel für Beharrlichkeit, Leidenschaft und Widerstandskraft im Leben. Trotz der antijüdischen Gesetze, die während des Faschismus in Italien erlassen wurden und ihr den Zugang zu Forschungslaboren an Universitäten verwehrten, behielt sie ihre Kraft und Motivation. Sie baute ein kleines Labor in ihrem Schlafzimmer auf, um weiter zu forschen, bis sie in die USA einwandern konnte. Dort verbrachte sie den größten Teil ihrer Karriere und erhielt 1986 den Nobelpreis für Medizin."
 
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