03: Das Kaiser-Wilhelm-Institut für Eisenforschung in der Weimarer Republik
Die zentrale Aufgabe des Kaiser-Wilhelm-Instituts für Eisenforschung (KWIE) war die Grundlagenforschung in sämtlichen Bereichen des Eisenhüttenwesens: von der Untersuchung des Eisenerzes über die Verfahren zur Produktion und Verarbeitung von Eisen und Stahl bis hin zu den Zwischen- und Fertigerzeugnissen.[1]
Dabei orientierte man sich stets eng an der gängigen industriellen Praxis. Das Institut gliederte sich in Abteilungen für Metallurgie, Chemie, Physik, mechanische Prüfung und Metallographie, dazu kamen eine mechanische Werkstatt und die Verwaltung.[2] Nachdem das Institut im Dezember 1920 in Düsseldorf seine Arbeit mit 14 Mitarbeitern aufgenommen hatte, konnte die Belegschaft bis zur offiziellen Eröffnungsfeier am 26. November 1921 bereits auf 49 Personen, darunter 13 Wissenschaftler, erhöht werden.[3]
Institutsdirektor Fritz Wüst sah die verbesserte Nutzbarmachung der eisenärmeren Erze als besonders wichtiges Forschungsziel an, da die deutsche Eisen- und Stahlindustrie nach dem verlorenen Ersten Weltkrieg den Ausfall der hochwertigen Erzlagerstätten in Lothringen und Luxemburg zu beklagen hatte. Daher wurde dem Institut im Jahr 1920 eine spezielle Erzaufbereitungsabteilung angegliedert.[4]
Bereits seit der Frühphase des Instituts wurden junge Wissenschaftler gefördert, denen es, nach Abschluss ihres eigentlichen Studiums an den Technischen Hochschulen und Universitäten, ermöglicht wurde, am KWIE ihre Doktorarbeit, auf vielen für das KWIE sehr wichtigen Forschungsfeldern, durchzuführen. Im Jahr 1921 waren die ersten beiden Doktoranden am Institut tätig.[5]
Bereits Ende 1922 war Wüst in den Ruhestand getreten, nachdem es zu einem Zerwürfnis zwischen ihm und dem Verein Deutscher Eisenhüttenleute (VDEh) gekommen war, vor allem wegen strittiger Fragen bei der Patentverwertung und weil Wüst nicht bereit war, auf die zusätzliche Annahme von Privataufträgen zu verzichten.[6] Daher übernahm sein Stellvertreter Friedrich Körber Anfang 1923 die Institutsleitung, welche er bis zu seinem Tod am 30. Juli 1944 innehatte. Unter Körbers Leitung avancierte das KWIE zum personal- und finanzintensivsten Institut der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft (KWG) und wurde mehrfach erweitert.[7] Bereits im Jahr 1930 beschäftigte das KWIE 93 Mitarbeiter.[8] Aufgrund der räumlichen Gegebenheiten auf dem Rheinmetall-Gelände waren der Expansion jedoch enge Grenzen gesetzt.[9] Im Oktober 1928 beschloss der VDEh einen Neubau des Instituts, der jedoch aufgrund der Folgen der Weltwirtschaftskrise in der zweiten Jahreshälfte 1930 wieder zurückgestellt werden musste.[10] Bis 1935 waren die Mitarbeiter daher gezwungen, in ihrem „Provisorium“ bei der Rheinmetall AG zu verweilen.
Ab 1926 war das KWIE auch in der Rüstungsforschung für die Reichswehr aktiv, obwohl es damit die Auflagen des Versailler Vertrages unterlief. Vor allem aus der eigenen national geprägten Grundhaltung heraus wurde die Zusammenarbeit mit dem Reichswehrministerium von den Verantwortlichen des Institutes begrüßt.[11]
Auch andere Institute wurden seit Mitte der 1920er Jahre in die Rüstungsforschung einbezogen, was den insgesamt konservativ und national geprägten Vorstellungen innerhalb der KWG entsprach.[12] Insgesamt kann man für die KWG eine ausgeprägte Bereitschaft zur wissenschaftlichen Zuarbeit für die Reichswehr feststellen. Wegen der eingeschränkten Mittel der Reichswehr und trotz der finanziellen Engpässe der KWG stellten die Institute ihre Arbeit zu einem großen Teil kostenlos zur Verfügung. Dies wurde Ende 1929 vom Wirtschaftsamt des Heereswaffenamtes lobend hervorgehoben.
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[1] Dönges, Wilhelm: Geschichte und Entwicklung des Kaiser-Wilhelm-Instituts für Eisenforschung zu Düsseldorf, in: Mitteilungen aus dem Kaiser-Wilhelm-Institut für Eisenforschung zu Düsseldorf, Bd. XXV, Düsseldorf 1942, S. 31.
[2] Ebd., S. 11.
[3] Ebd., S. 10.
[4] Ebd., S. 11.
[5] Ebd., S. 24; Rose, Adolf; Grandmontagne, Hedwig: Zeittafeln KWI-MPI 1917-1966, in: Max-Planck-Institut für Eisenforschung (Hrsg.): 50 Jahre Kaiser-Wilhelm-Institut für Eisenforschung, Max-Planck-Institut für Eisenforschung in Düsseldorf, Düsseldorf 1967, S. 15-35, S. 17.
[6] Rasch, Manfred: Auf dem Weg zum Diensterfinder: Zur kommerziellen Nutzung von Forschungsergebnissen aus Kaiser-Wilhelm-Instituten, in: Hoffmann, Dieter; Kolboske, Birgit; Renn, Jürgen: „Dem Anwenden muss das Erkennen vorausgehen“. Auf dem Weg zu einer Geschichte der Kaiser-Wilhelm-/ Max-Planck-Gesellschaft, 2. erweiterte Aufl., Berlin 2015, S. 219-242, S. 228 ff.
[7] Flachowsky, Sören: „Alle Arbeit des Instituts dient mit leidenschaftlicher Hingabe der deutschen Rüstung“. Das Kaiser-Wilhelm-Institut für Eisenforschung als interinstitutionelle Schnittstelle kriegsrelevanter Wissensproduktion 1917-1945, in: Maier, Helmut: Gemeinschaftsforschung, Bevollmächtigte und der Wissenstransfer: die Rolle der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft im System kriegsrelevanter Forschung des Nationalsozialismus, Göttingen 2007, S. 153-214, S. 160 f.
[8] Rose; Grandmontagne: Zeittafeln KWI-MPI 1917-1966, S. 20.
[9] Dönges: Geschichte und Entwicklung, S. 14.
[10] Ebd.
[11] Flachowsky, Sören: Von der Wagenburg der Autarkie zu transnationaler Zusammenarbeit. Der Verein Deutscher Eisenhüttenleute und das KWI/MPI für Eisenforschung 1917-2009, in: Maier, Helmut; Zilt, Andreas; Rasch, Manfred (Hrsg.): 150 Jahre Stahlinstitut VDEh 1860-2010, Essen 2010, S. 681 f.
[12] Hachtmann, Rüdiger: Wissenschaftsmanagement im „Dritten Reich“. Geschichte der Generalverwaltung der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft (2 Bde.), Göttingen 2007, Bd.1, S. 113-116 u. Flachowsky, Sören: Von der Wagenburg der Autarkie zu transnationaler Zusammenarbeit. Der Verein Deutscher Eisenhüttenleute und das KWI/MPI für Eisenforschung 1917-2009, in: Maier, Helmut; Zilt, Andreas; Rasch, Manfred (Hrsg.): 150 Jahre Stahlinstitut VDEh 1860-2010, Essen 2010, S. 681 f.