07: Das Kaiser-Wilhelm-Institut für Eisenforschung in der unmittelbaren Nachkriegszeit
In der unmittelbaren Nachkriegszeit war die Zukunft des Kaiser-Wilhelm-Instituts für Eisenforschung (KWIE) und der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft (KWG) zunächst unsicher.
Mit Kriegsende war die bis dahin größtenteils durch die deutschen Eisenhüttenwerke getragene Finanzierung des Instituts zunächst zusammengebrochen. Dies führte dazu, dass bis Ende 1945 ein Großteil der 200 Personen umfassenden Belegschaft, die zum Jahreswechsel 1944/1945 noch am Institut beschäftigt war, entlassen werden musste.[1] Daneben kämpfte das Institut um die Erteilung einer Arbeitserlaubnis durch die Alliierten und um die Rückkehr von Clausthal nach Düsseldorf. Einen personellen Bruch an der Institutsspitze hielten die KWG und der VDEh nach Kriegsende offenbar nicht für erforderlich. Institutsdirektor Franz Wever wurde im September 1945 aus der Haft entlassen und übernahm, trotz seiner politisch aktiven Rolle im Nationalsozialismus, wieder die Leitung des KWIE.[2]
Im Rahmen der Bemühungen der Besatzungsmächte zur Demilitarisierung, Entnazifizierung, Demokratisierung und Dekartellisierung Deutschlands wurde unter den Alliierten ab Dezember 1945 die Auflösung der KWG wegen ihrer Rolle im Nationalsozialismus diskutiert. In diesem Zusammenhang war auch die Existenz des KWIE bedroht.[3]
Da viele Eisenhüttenwerke ihre eigenen Forschungseinrichtungen durch den Bombenkrieg und die alliierte Entflechtungs- und Demontagepolitik verloren hatten, war die Industrie sehr daran interessiert, das KWIE zu erhalten, um es für betriebsnahe Forschungsaufgaben unmittelbar nutzen zu können.[4] Dem Verein Deutscher Eisenhüttenleute (VDEh) gelang es schließlich, Gelder für das Haushaltsjahr 1946, die Instandsetzung des Hauptgebäudes und die Rückkehr nach Düsseldorf bereitzustellen. Im Frühjahr 1946 konnte mit der Rückverlagerung von Clausthal nach Düsseldorf begonnen werden.[5] Am 24. Februar 1947 erhielt das mittlerweile zurückgekehrte Institut, von autarkistischen und militärischen Zusammenhängen bereinigt, die Arbeitserlaubnis durch die „Research Branch“, eine seitens der Alliierten in Göttingen eingesetzte Behörde.[6]
Unter den Besatzungsmächten war es zunächst vor allem auf die Initiative der Briten zurückzuführen, dass die Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft bestehen blieb. Dabei bestanden sie allerdings auf eine Namensänderung und schlugen eine Weiterführung unter dem Namen des ehemaligen KWG-Präsidenten und Physik-Nobelpreisträgers von 1918, Max Planck, vor. Planck besaß immer noch eine hohe Reputation im Ausland und galt als unbelastet, zumal Plancks Sohn Erwin als Teil des „Goerdeler-Kreises“ am aktiven Widerstand gegen den Nationalsozialismus beteiligt gewesen und im Rahmen des gescheiterten Attentats auf Hitler vom 20. Juli 1944 im Januar 1945 in Berlin-Plötzensee hingerichtet worden war. In der Phase des Umbruchs 1945/46 übernahm Max Planck noch einmal kommissarisch die Präsidentschaft der KWG, bis er am 4. Oktober 1947 in Göttingen im Alter von 89 Jahren verstarb.[7]
Nach der Umwandlung der KWG in die Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften (MPG) am 26. Februar 1948 wurden die Liegenschaften und Institute der KWG sukzessiv eingegliedert. Dementsprechend änderte auch das KWIE seinen Namen in Max-Planck-Institut für Eisenforschung (MPIE).[8] Ab 1949 waren alle Abteilungen des MPIE wieder voll arbeitsfähig, wobei die Erzabteilung des Instituts nicht wieder aufgebaut wurde. 1950 stieg die Zahl der Mitarbeiter erstmals seit dem Krieg wieder auf über 100 an.[9]
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[1] Max-Planck-Institut für Eisenforschung: 10 Jahre Eisenforschung 1945-1954, Düsseldorf 1955, S. 8 u. Flachowsky, Sören: Von der Wagenburg der Autarkie zu transnationaler Zusammenarbeit. Der Verein Deutscher Eisenhüttenleute und das KWI/MPI für Eisenforschung 1917-2009, in: Maier, Helmut; Zilt, Andreas; Rasch, Manfred (Hrsg.): 150 Jahre Stahlinstitut VDEh 1860-2010, Essen 2010, S. 671-708, S. 691.
[2] Flachowsky: Von der Wagenburg der Autarkie zu transnationaler Zusammenarbeit, S. 690ff.
[3] Ebd., S. 690.
[4] Vgl. MPIE: 10 Jahre Eisenforschung 1945-1954, S. 9 u. Flachowsky: Von der Wagenburg der Autarkie zu transnationaler Zusammenarbeit, S. 693.
[5] MPIE: 10 Jahre Eisenforschung 1945-1954, S. 8.
[6] Flachowsky: Von der Wagenburg der Autarkie zu transnationaler Zusammenarbeit, S. 694.
[7] Henning, Eckart: Max Planck im „Dritten Reich“, in: Beck, Lorenz Friedrich (Hrsg.): Max Planck und die Max-Planck-Gesellschaft. Zum 150. Geburtstag am 23. April 2008 aus den Quellen zusammengestellt vom Archiv der Max-Planck-Gesellschaft, Berlin 2008, S. 35-60, S. 54ff; Grüttner, Michael: Biographisches Lexikon zur nationalsozialistischen Wissenschaftspolitik, Heidelberg 2004, S. 131; Hachtmann, Rüdiger: Wissenschaftsmanagement im „Dritten Reich“. Geschichte der Generalverwaltung der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft (2 Bde.), Göttingen 2007, Bd. 2, S. 1089-1095.
[8] Flachowsky: Von der Wagenburg der Autarkie zu transnationaler Zusammenarbeit, S. 694 u. Ders.: Das Max-Planck-Institut für Eisenforschung Düsseldorf; in: Gruss, Peter; Rürup, Reinhard (Hrsg.): Denkorte. Max-Planck-Gesellschaft und Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft: Brüche und Kontinuitäten 1911-2011, Dresden 2010, S. 128-135, S. 131.
[9] Flachowsky: Von der Wagenburg der Autarkie zu transnationaler Zusammenarbeit, S. 694 u. MPIE: 10 Jahre Eisenforschung 1945-1954, S. 10.