"Kommunizierende" Materialien

"Kommunizierende" Materialien

Self-reporting Materials “kommunizieren” Schäden, indem sie Eigenschaftsänderungen in Folge einer Änderung der chemischen Zusammensetzung oder –struktur auf atomarer Ebene, die während des Betriebs gemessen werden können, mitteilen. Die Ausnutzung dieser Effekte wäre von unschätzbarem Wert für die Schadensüberwachung und –kontrolle von Bauteilen unter mechanischer Belastung und bildet die Grundlage für die nächste Entwicklungsstufe von Werkstoffen, deren Integrität beziehungsweise strukturelle „Gesundheit“ während der Anwendung überwacht wird.

Die Forschung der Arbeitsgruppe konzentriert sich auf das Design von Werkstoffen mit Potential zur Kommunikation im o. g. Sinn. Zu diesem Zweck werden Materialien mit bestimmten Ladungsdichteverteilungen (Multilayer-Schichten & Nanolaminate) synthetisiert und hinsichtlich ihrer elastischen und plastischen Eigenschaften (Forschungsziel 1) und ihrer thermischen und chemischen Stabilität (Forschungsziel 2) charakterisiert.

Auf der Grundlage dieser Untersuchungen und geführt durch quantenmechanische Berechnungen werden Self-Reporting Materials mit definierter Ladungsdichteverteilung und maßgeschneidertem Eigenschaftsprofil durch Substitution und/oder Addition von Legierungselementen designed. Basierend auf vorangegangenen theoretischen und experimentellen Arbeiten werden zwei faszinierende Werkstoffsysteme der Nanolaminate untersucht: Cr2AlC mit herausragender chemischer Stabilität und Mo2BC mit außergewöhnlicher Steifigkeit bei gleichzeitig moderater Duktilität.

Die Werkstoffdesign-Konzepte für selbstberichtenden bzw. selbstheilende Werkstoffe sind ein Ergebnis von langjähriger Werkstoffdesign-Erfahrung am Lehrstuhl für Werkstoffchemie (Materials  Chemistry, MCh) von Jochen Schneider der RWTH Aachen. Das Werkstoffverständnis wird hierbei iterativ durch Anpassung der quantenmechanischen Beschreibungen aufgrund der Ergebnisse der Charakterisierungen und Anwendungsuntersuchungen  erarbeitet. Dieser Forschungsansatz der Arbeitsgruppe Schneider wurde u. a. in einem Highlight-Artikel der Zeitschrift europhysicsnews graphisch dargestellt und diskutiert (Bild 1).

Die Entwicklung zukünftiger Technologien wird nicht länger auf der Basis heutiger Werkstoff- und Prozessansätze erfolgen, die häufig noch empirisch nach dem Verfahren von Versuch und Irrtum entwickelt wurden. An Stelle dieser Ansätze treten kombinierte theoretisch-experimentelle Strategien zur atomistisch geführten Werkstoffentwicklung. So werden zukünftige Formgebungs- und Bearbeitungsprozesse mit Werkzeugen arbeiten, deren Integrität bzw. strukturelle „Gesundheit“ während der Anwendung überwacht wird. In derselben Art und Weise stehen selbstheilende Werkstoffe für einen Paradigmenwechsel in der modernen Werkstoffentwicklung: Geschädigte Bauteile werden nicht länger ausgewechselt, sondern heilen autonom, idealerweise während des Betriebs. Die Kombination dieser selbstheilenden und selbstberichtenden Funktionalitäten eröffnet daher eine außerordentlich attraktive Perspektive sowohl aus materialwissenschaftlicher als auch aus anwendungstechnischer Sicht. Da beide Effekte auf Mechanismen auf  atomarer Ebene beruhen, müssen erfolgreiche Werkstoffentwicklungen in diesem Feld notwendigerweise auf korrelativen theoretisch-experimentellen Arbeiten basieren.

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