Unordnung schafft Rostschutz

Die Nanostruktur eines Materials beeinflusst entscheidend, wie widerstandsfähig es gegen Korrosion ist

25. Juli 2013



Um mehr über das zerstörerische Werk der Korrosion zu erfahren, analysierte das Team zudem, welche Elemente bei welcher Spannung aus dem Material gelöst werden. Zu diesem Zweck bedienten sie sich einer Methode, die Karl Mayrhofer am Düsseldorfer Max-Planck-Institut entwickelt hat: Dabei platzierten sie eine Kunststoffzelle mit einer Öffnung auf ihrer Probe. In eine solche Zelle führen von zwei Seiten Schläuche, sodass die Forscher von der einen Seite eine Salzlösung auf ihre Probe strömen lassen können, die sich auf der anderen Seite wieder auffangen lässt. Die ausströmende Lösung verdampfen sie mit einem Plasmastrahl und bestimmen in einem Massenspektrometer die enthaltenen Ionen.

„Unseren Messungen zufolge entweichen bei niedrigen Spannungen vor allem Eisen und Molybdän aus der amorphen Probe“, sagt Julia Klemm: Das Chrom bleibt demnach zurück und bildet eine undurchdringliche Schutzschicht auf dem gesamten Material. Mit steigender Spannung wird jedoch immer mehr Chrom gelöst, während der Anteil des gelösten Eisens und Molybdän gleich bleibt oder sogar abnimmt. Ähnlich verhält es sich auch in der Probe mit nur geringem kristallinen Anteil. In der vollkommen kristallinen Probe werden molybdänreiche Areale mit steigender Spannung dagegen zusehends schneller zersetzt, während chromreiche Gebiete über einen größeren Spannungsbereich stabil bleiben. Im kristallinen Material verschont der Rost also die chromreichen Areale, und ein schwammartiges Material bleibt übrig.

Die Korrosion schafft ein poröses Material für Filter oder Katalysatoren

„Dass sich aus unserer Modell-Legierung elektrochemisch poröse Strukturen der sehr harten Verbindung aus Eisen, Chrom und Kohlenstoff erzeugen lassen, haben wir eher zufällig entdeckt“, sagt Frank Renner. „Wegen ihrer sehr großen Oberfläche könnten sie sich als Membranen für Filter oder Trägermaterialien für Katalysatoren eignen.“ Denn sowohl Filter als auch Katalysatoren erfüllen ihre Aufgabe desto besser, je größer ihre aktive Oberfläche ist.

Für Karosserien, Flugzeugrümpfe oder Turbinenschaufeln ist ein kristalliner Chrom-Molybdän-Stahl, den der Rost perforiert, dagegen unbrauchbar. Warum sich auf den kristallinen Formen der Legierung keine passivierende Schutzschicht bildet, können die Forscher auch erklären. Da der Korrosionsschutz vor allem auf dem Chrom und seiner Oxidschicht beruht, bleibt das gesamte Material nur geschützt, wenn überall genügend Chrom vorhanden ist. Sammelt es sich dagegen in relativ weit auseinanderliegenden Arealen, werden nur diese Gebiete geschützt.

Der Zusammenhang zwischen Chrom-Verteilung und Korrosionsschutz gibt den Materialwissenschaftlern auch einen Hinweis, warum amorphe Stähle bereits durch einem Chrom-Anteil von vier bis fünf Prozent korrosionsbeständig werden, während dafür in kristallinen Stählen 12 bis 13 Prozent nötig sind: Letztere müssen insgesamt mehr Chrom enthalten damit auch in den chromärmeren Kristalliten genug vorhanden ist, um die passivierende Schicht über dem gesamten Material zu bilden.

Eine eindeutige Anleitung, wie sich Stähle aus der industriellen Praxis widerstandsfähiger gegen Rost machen lassen, können die Düsseldorfer Forscher zwar noch nicht geben. „Unsere Studie zeigt aber, dass bereits die Entmischung im Nanometerbereich stark beeinflusst, wie korrosionsbeständig ein Material ist“, sagt Frank Renner. Dass sich alle Komponenten möglichst gleichmäßig in einem Material verteilen sollten, damit der Rost es nicht zerfrisst, könnte also ein Anhaltspunkt für die praktische Materialwissenschaft sein.

Autor: Peter Hergersberg, Max-Planck-Gesellschaft

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