Unordnung schafft Rostschutz

Die Nanostruktur eines Materials beeinflusst entscheidend, wie widerstandsfähig es gegen Korrosion ist

25. Juli 2013



Ein Modell für den Übergang vom amorphen zum kristallinen Stahl

Das Team um die Max-Planck-Forscher hat nun erstmals umfassend untersucht, wie die Mikro- beziehungsweise Nanostruktur einer Legierung, die Chemiker mit der Formel Fe50Cr15Mo14C15B6 beschreiben, deren Korrosionsbeständigkeit beeinflusst. Die Legierung gehört zu den amorphen Stählen, die etwa als abriebfeste Beschichtungen Verwendung finden. Darin liegen die Elemente in einer unregelmäßigen Struktur vor, sind aber völlig gleichmäßig im Material verteilt. „Für uns ist die Legierung vor allem als Modellsystem interessant, in dem wir den Übergang von der amorphen zur kristallinen Form studieren können“, sagt Frank Renner. Da sie gängigen Chrom-Molybdän-Stählen ähnelt, sind die Ergebnisse der Forscher auch für Materialien aus der Praxis relevant. Allerdings enthält die Test-Legierung der Forscher deutlich mehr Kohlenstoff als gängige Stähle, und auch der hohe Boranteil ist für Stähle aus dem Hochofen eher unüblich. Nur diese Mixtur ermöglichte es dem Team jedoch, die amorphe Variante der Legierung zu erzeugen.

Die amorphe Form der Legierung markierte den Startpunkt einer Messreihe, die über mehrere Zwischenstufen bis zur geordneten kristallinen Form führte. Wie weit die Legierung kristallisiert, hängt dabei von der Temperatur ab, bei der die Forscher die Elemente miteinander verbacken: Bei 550 Grad Celsius bleibt das Material  amorph, während sich bei 800 Grad die vollkommen kristalline Form bildet. Die Zwischenstufen erhielten die Wissenschaftler bei 620 bis 670 Grad Celsius.

Die Nanostrukturen ihrer Stahl-Varianten klärte das Team mithilfe der Atomsonden-Tomografie auf. Dabei werden die Atome einer Probe eines nach dem anderen verdampft und von einem Detektor aufgefangen. Aus der Zeit, die ein Atom bis zum Detektor braucht, lässt sich auf das Element schließen, aus dem Punkt, an dem es auftrifft, auf seine Position in der Probe. So erhielten die Forscher genaue Karten der Materialien. An ihnen konnten sie nachvollziehen, wie sich die Atome mit steigender Herstellungstemperatur umgruppieren. „Dabei entstehen Bereiche, in denen sich jeweils ein Metall anreichert“, erklärt Jazmin Duarte, die diese Untersuchungen anstellte. Die Probe, die die Materialwissenschaftler bei 620 Grad Celsius erzeugten bleibt dabei noch weitgehend ungeordnet. „Doch auch in dieser Probe lassen sich bereits kristalline Strukturen erkennen“, so Jazmin Duarte. „Die bei 800 Grad erzeugte Form ist dagegen völlig kristallin, wobei sich die jeweils mit einem Metall angereicherten Bereiche über bis zu 50 Nanometer ausdehnen können.“

Chrom widersteht der Korrosion am längsten

Die genauen Informationen über die Nanostruktur der Stahlvarianten verglichen die Forscher nun mit elektrochemischen Messungen, wie leicht die verschiedenen Formen zum Opfer der Korrosion wurden. Zu diesem Zweck benetzten die Forscher die Probenoberflächen mit einer Salzlösung und setzten die Legierung unter eine elektrische Spannung. Je höhere Spannungen eine Probe im Labor aushält, ohne sich aufzulösen, desto mehr Widerstand stellt sie dem Rostangriff auch in der Praxis entgegen. „Dabei erwiesen sich die völlig und die weitgehend amorphe Form als fast so beständig wie reines Chrom“, erklärt Julia Klemm, die die entsprechenden Experimente gemacht hat. Reinem Chrom kann die Korrosion unter normalen Bedingungen wenig anhaben, weil es durch eine dünne passivierende Oxidschicht versiegelt wird. Eine solche Schutzschicht bildet sich auch auf den amorphen Stählen. In den größtenteils kristallinen Formen der Legierung ist das aber offenbar nicht mehr möglich. Hier frisst der Rost schon bei relativ niedrigen Spannungen Löcher in die Probe.

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