Leichte Hoch-Mangan-Stähle: Fortschritt durch atomistisches Verständnis

Am Max-Planck-Institut für Eisenforschung arbeiten Experten der Werkstoffsimulation und Charakterisierung, um bis zur atomaren Ebene die Grenzen unseres Wissens zu verschieben. Auf diese Weise gelang es, die Verstärkung von Hoch-Mangan-Stählen durch κ-Karbide zu entschlüsseln.

Michael Herbig*, Christian Liebscher, Christina Scheu und Tilmann Hickel

Max-Planck-Institut für Eisenforschung GmbH, 40237 Düsseldorf, Germany - *Kontaktdaten: m.herbig@mpie.de, +49-211-6792-538

In jüngster Zeit hat das Fe-Mn-Al-C-Legierungssystem, das eine ausgezeichnete Kombination von Festigkeit, Formbarkeit und geringer Dichte aufweist, globales Forschungsinteresse geweckt. Die Ausscheidung von nanoskaligen κ-Karbiden sorgt für eine hervorragende Kaltverfestigungskapazität bei gleichzeitig guter Duktilität [1]. Die Festigkeit des Materials hängt direkt von der Kohärenz der κ-Phase mit der γ-Fe-Matrix und der lokalen Chemie ab. Mittels Atomsondentomografie (APT) wurden die chemischen Zusammensetzungen bestimmt, daraufhin die Anordnungen der Atome in der Einheitszelle der κ-Karbide ermittelt und per quantenmechanischer Simulation überprüft [2; 3].

Untersucht wurde die Zusammensetzung Fe-30Mn-8Al-1.2C (% Gewichtanteil). Während einer Wärmebehandlung von 24 Stunden bei 600 °C kommt es zur Ausscheidung von kohärenten κ-Karbiden in der austenitischen Matrix. APT-Messungen geben Einsicht in die dreidimensionale Anordnung und Zusammensetzung der nanoskaligen Karbide [3] und die hochaufgelöste Rastertransmissionselektronenmikroskopie ermöglicht es, die lokale Struktur und chemische Ordnung der Phasen und Grenzflächen mit atomarer Auflösung zu erforschen, Bild 1ab. Die Ausscheidungen mit kubischer oder plattenförmiger Morphologie ordnen sich in Reihen an, die entlang der ˂001˃-Richtungen verlaufen. Eine genaue Analyse der gemessenen Zusammensetzung der Karbide (Fe2.0Mn1.1Al0.9C0.6) zeigt, dass eine Abweichung des C- und Al-Gehaltes von der perfekten Stöchiometrie der L’12-Phase (Fe, Mn)3AlC vorliegt. Dies deutet auf eine unvollständige Besetzung der C- und Al-Untergitterplätze hin. Im Falle des Al-Untergitters ist auch eine Besetzung durch Mn oder Fe vorstellbar.

Diese Hypothesen wurden durch quantenmechanische Berechnungen überprüft. Die Simulationen ergaben, dass die durch Kohärenzspannungen verursachte Kompression der Karbide einen Teil der C-Atome aus ihnen herausdrängt, Bild 1c [2]. Es konnte ausgeschlossen werden, dass Al-Leerstellen durch einen ähnlichen Prozess entstehen. Auch der Energiegewinn durch den Ersatz einzelner Al-Atome durch Mn ist zu gering, um die experimentellen Ergebnisse zu erklären, Bild 1d. Des Rätsels Lösung liegt in der Kombination der Effekte [3]: Die Kompression schwächt die chemischen Bindungen und die Verarmung von C reduziert die starke Triebkraft der κ-Karbide, eine Nahordnung von Al und C einzustellen. Das Karbid kann sich der natürlichen Tendenz zur Bildung von Unordnung bei 600 °C nicht mehr vollständig entziehen, was zum Austausch einiger Al-Atome führt.

Die Kombination von Theorie und Experiment führt daher zu einem grundlegenden Verständnis der atomaren Zusammenhänge, wodurch eine innovative und nachhaltige Entwicklung neuer Stähle garantiert wird.

Literatur

[1] Gutierrez-Urrutia, I.; Raabe, D.: Scripta Mater. 68 (2013),  S. 343/47.

[2] Dey, P.; Nazarov, R.; Dutta, B.; Yao, M.; Herbig, M.; Friak, M.; Hickel, T.; Raabe, D.; Neugebauer, J.: Phys. Rev. B 95 (2017), S. 104/08.

[3] Yao, M. J.; Dey, P.; Seol, J. B.; Choi, P.; Herbig, M.; Marceau, R. K. W.; Hickel, T.; Neugebauer, J.; Raabe, D.: Acta Mat. 106 (2016), S. 229/38.

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