Entwicklung schadenstoleranter Dualphasenstähle

Dualphasenstähle werden aufgrund ihrer mechanischen Eigenschaften im Automobilbau für sicherheitskritische Bauteile verwendet. Obwohl sie die ersten in großem Umfang eingesetzten hochfesten Stähle sind, ist ihr Potenzial nicht ausgeschöpft. Am Max-Planck-Institut für Eisenforschung (MPIE) in Düsseldorf werden deshalb die Schädigungsmechanismen dieser Stähle untersucht.

Dirk Ponge*, Martin Diehl, Fady Archie, Stefan Zaefferer, Franz Roters und Dierk Raabe

Max-Planck-Institut für Eisenforschung GmbH, 40237 Düsseldorf, Germany - *Kontaktdaten: ponge@mpie.de, +49-211-6792-438

Die guten mechanischen Eigenschaften von Dualphasen(DP)-Stählen sind das Ergebnis des komplexen Zusammenspiels der beteiligten Phasen Martensit und Ferrit. Theorien, die nur Martensit für die Festigkeit und Ferrit für die hohe Verfestigung verantwortlich machen und gegenseitige Wechselwirkungen ignorieren, können DP-Stähle nur unzureichend beschreiben. Stattdessen müssen alle Gefügebestandteile und ihre Wechselwirkungen als Gesamtsystem betrachtet werden. Diese integrale Betrachtung hilft, DP-Stähle mit einsatzspezifischen Eigenschaften zu entwickeln. Für schadenstolerante DP-Stähle sind weitere Untersuchungen erforderlich, da die Schädigungsmechanismen bisher nicht vollständig verstanden sind.

Die Forschung am MPIE zeichnet sich durch eine enge Kopplung von Theorie und Experiment aus. Das MPIE-Softwarepaket „DAMASK“ hilft, gemessene Gefüge direkt in ein Simulationsmodell zu überführen und die Probe virtuell zu verformen. Im direkten Vergleich von experimentellen und berechneten Ergebnissen kann so die Qualität der entwickelten Modelle ermittelt werden. Zusätzlich können Parameterstudien durchgeführt werden: Wie verhält sich das Gefüge, wenn der Martensit fester ist? Welchen Einfluss hat die Verteilung der Martensitinseln auf die mittlere Dehnung im Ferrit? Erste Ergebnisse zeigen, dass die Verwendung eines 2-D-Modells eine unzulässige Vereinfachung darstellt.

Die experimentelle Ausstattung am MPIE erlaubt es, vollständige 3-D-Modelle mit bisher unerreichter Qualität zu erzeugen. Sie sagen die Verteilung der Spannung und Dehnung in einem Gefüge präzise vorher. So können Schädigungssimulationen durchgeführt werden. Ein geeignetes Schädigungsmodell wird in Zusammenarbeit mit einem Stahlunternehmen und der Universität Eindhoven entwickelt. Experimentell steht die Schädigung an Korn- und Phasengrenzen im Vordergrund.

Ein Beispiel ist in der Abbildung dargestellt. Ein DP-Stahl (Fe-0.14C-1.93Mn-0.42Cr-0.25Si, in Massenanteilen in %) wurde vollständig austenitisiert (840 °C / 90 s) und dann 4 min bei 650 °C gehalten, um Ferrit zu erzeugen. Dieser bildet sich, ausgehend von den Tripellinien, und folgt den Austenitkorngrenzen. Mittels Atomsondentomografie wurde nachgewiesen, dass dies zur Anreicherung von mehr als 8 % Mn und 1,3 % C auf dem verbleibenden Korngrenzensegment zwischen den angrenzenden Austenitkörnern führt. Beim Abkühlen wandeln sich die Austenitkörner in Martensit um. Die verbleibende ehemalige Austenitkorngrenze stellt aufgrund ihrer Anreicherung, einer starken Aufhärtung und ihrer Eigenspannungen einen Schwachpunkt im Gefüge dar. Dies wird durch den beobachteten Riss bestätigt, der sich nach nur 2 % Verformung entlang dieser ehemaligen Austenitkorngrenze gebildet hat.

Dieses Verständnis ermöglicht eine bessere Computersimulation und die Optimierung der Herstellungsparameter in Hinblick auf hochfeste, duktile und gleichzeitig schädigungstolerantere DP-Stähle.

Literatur

Tasan, C. C.; Diehl, M.; Yan, D.; Zambaldi, C.; Shanthraj, P.; Roters, F., et al.: Acta Mat. 81 (2014), S. 386.

Tasan, C. C.; Diehl, M.; Yan, D.; Bechtold, M.; Roters, F.; Schemmann, L.; et al.: Ann. Rev. Mat. Res. 45 (2015), S. 391.

Diehl, M.; Shanthraj, P.; Eisenlohr, P.; Roters, F.: Meccanica51 (2016), S. 429.

Archie, F.; Li, X.; Zaefferer, S.: Mat. Sc. Forum (2016) Nr. 879.

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