Künstliche Intelligenz hilft bei der Entwicklung innovativer Materialien

Düsseldorfer Max-Planck-Wissenschaftler diskutieren den Einsatz künstlicher Intelligenz in der Materialwissenschaft und veröffentlichen Review-Artikel in der Fachzeitschrift Nature Computational Science

Innovative Materialien werden für den Alltag dringend benötigt, sei es im Bereich von Hightech, Mobilität, Infrastruktur, grüner Energie oder in der Medizin. Allerdings stoßen bisherige Entwicklungsmethoden an ihre Grenzen, da die Anforderungen an Materialien und damit einhergehend ihre chemische und strukturelle Komplexität steigen. Darüber hinaus sollen neue Materialien nicht nur neuartige Anwendungen ermöglichen, sondern auch nachhaltig hergestellt, genutzt und wiederverwertet werden können. In ihrer Publikation geben Wissenschaftler des Düsseldorfer Max-Planck-Instituts für Eisenforschung (MPIE) einen Überblick über den Stand der physikalischen Modellierung und diskutieren, wie deren Kombination mit künstlicher Intelligenz bisher ungenutzte Räume für das Design komplexer Materialien eröffnet. Sie veröffentlichten ihre Ergebnisse in der Fachzeitschrift Nature Computational Science.

Physikalische Modellierung und künstliche Intelligenz Hand in Hand

Um den technologischen und ökologischen Herausforderungen gerecht zu werden, werden immer anspruchsvollere und vielfältigere Materialeigenschaften gebraucht. Legierungen werden dadurch in ihrer Zusammensetzung, Synthese, Verarbeitung und ihrem Recycling immer komplexer. Änderungen dieser Parameter bringen Veränderungen in der Mikrostruktur mit sich, die sich wiederum auf die Materialeigenschaften auswirken. Diese Komplexität muss zunächst verstanden werden, um Strukturen und Eigenschaften von Werkstoffen vorhersagen zu können. Computergestützte Methoden für das Materialdesign spielen hier eine entscheidende Rolle. „Unsere Möglichkeiten neue Materialien zu entwickeln, beruhen heute vor allem auf physikalischer Modellierung und Experimenten. Bei komplexen Werkstoffen, die viele Elemente kombinieren, wird es schwierig Mikrostrukturen und Eigenschaften akkurat vorherzusagen. Außerdem basieren viele physikalische Modelle auf vereinfachte Näherungen und stützen sich auf eine große Anzahl von Variablen. Es bleibt die Frage, ob und wie diese Freiheitsgrade in der Lage sind, die Komplexität des Materials ganzheitlich zu erfassen“, erklärt Professor Dierk Raabe, Direktor am MPIE und Erstautor des Artikels. In der neuen Publikation werden physikalische Modelle, wie Molekulardynamik und Ab-Initio-Simulationen, mit Deskriptor-basierter Modellierung und Methoden der künstlichen Intelligenz verglichen. Während physikalische Simulationen oft zu kostspielig sind, um Materialien mit komplexer Zusammensetzung vorherzusagen, hat der Einsatz von künstlicher Intelligenz (KI) mehrere Vorteile. „KI ist in der Lage, thermodynamische und mikrostrukturelle Merkmale automatisch aus großen Datensätzen zu extrahieren und akkurate Vorhersagen zu treffen“, sagt Professor Jörg Neugebauer, Direktor am MPIE und Co-Autor der Veröffentlichung.

Große Datensätze für verbessertes maschinelles Lernen

Bisher sind große, qualitativ hochwertige Datensätze allerdings nur begrenzt verfügbar, was die Vorhersagekraft künstlicher Intelligenz einschränkt. Eine Lösung ist die Verwendung aktiver Lernzyklen, bei denen Modelle des maschinellen Lernens mit zunächst kleinen Teilmengen von gekennzeichneten Daten trainiert werden. Die Vorhersagen des Modells werden danach überprüft und die qualitativ hochwertigen Daten zurück in den ursprünglichen Datensatz eingespeist, um das maschinelle Lernmodell erneut durchzuführen. Diese schrittweise Annäherung resultiert in einem qualitativ hochwertigen großen Datensatz, der für genaue Vorhersagen verwendet werden kann. 

Vor dem Einsatz künstlicher Intelligenz in der Materialwissenschaft sind aber noch weitere Fragen offen: Wie geht man mit ungenauen Daten um? Wie lassen sich interessante Ausreißer oder “Außenseiter” berücksichtigen? Wie lassen sich unerwünschte Verunreinigungen aus der Synthese oder dem Recycling berücksichtigen?

Wenn es jedoch um die Entwicklung komplexer Legierungen geht, wird künstliche Intelligenz in naher Zukunft eine wichtigere Rolle spielen. Insbesondere mit der Entwicklung von Algorithmen, der zunehmenden Verfügbarkeit hochwertiger Materialdatensätze und steigender Rechenleistung.

Die Forschung wird durch das BigMax-Netzwerk der Max-Planck-Gesellschaft gefördert.

Autorin: Yasmin Ahmed Salem

Weitere interessante Beiträge

Zur Redakteursansicht