Europäischer Forschungsrat unterstützt Düsseldorfer Materialwissenschaftler mit 2,5 Millionen Euro
Start des Projektes von Prof. Gerhard Dehm am Max-Planck-Institut für Eisenforschung
Korngrenzen trennen die einzelnen Kristalle, die ein Material bilden, und sind in den meisten funktionellen und strukturellen Materialien allgegenwärtig. Korngrenzen sind innere Grenzflächen, die sich in ihrer Atomanordnung im Vergleich zu den angrenzenden Körnern unterscheiden. Sie beeinflussen die elektrischen, magnetischen, thermischen und mechanischen Eigenschaften von Materialien. Bislang ist wenig bekannt wann Phasenübergänge von Korngrenzen auftreten und wie diese zur Verbesserung von Materialeigenschaften eingesetzt werden können. Gründe dafür sind die strukturelle und chemische Komplexität von Korngrenzen, die darin vorhandenen Defekte und bisher unzureichende Charakterisierungstechniken. Prof. Gerhard Dehm, Direktor am Max-Planck-Institut für Eisenforschung (MPIE), wird nun vom Europäischen Forschungsrat (englisch: European Research Council, kurz: ERC) mit 2,5 Millionen Euro gefördert, um genau diesen Fragestellungen auf den Grund zu gehen und dadurch maßgeschneiderte Materialien für verschiedenste Anwendungen zu entwickeln.
Um Phasenumwandlungen in Korngrenzen zu verstehen und in Korngrenz-Phasendiagrammen zusammenzufassen, werden Dehm und sein Team sich auf Dünnschichtsysteme aus Kupfer- und Aluminium-Legierungen konzentrieren. Dünne Schichten ermöglichen eine hierarchische Strategie bei der zunächst bikristalline, dann oligokristalline und schließlich polykristalline Dünnschichten analysiert und so Schritt für Schritt in den mehrdimensionalen Raum der Korngrenzen vorgedrungen wird. Dabei bietet die Infrastruktur am MPIE optimale Bedingungen: die Max-Planck-Wissenschaftler verwenden unter anderem aberrationskorrigierte, atomar abbildende Transmissionselektronenmikroskopie, moderne hochaufgelöste Spektroskopie sowie computergestützte atomistische Berechnungen, um die Korngrenzphasen als Funktion der Temperatur und der chemischen Zusammensetzung zu identifizieren. Durch elektrische Messungen und Kornwachstumsexperimente werden die Korngrenzphasenübergänge mit funktionellen Eigenschaften in Beziehung gesetzt. Darüber hinaus wird Dehm und sein Team mit Hilfe mikromechanischer in situ Messungen unter gleichzeitiger Beobachtung im Raster- oder Transmissionselektronenmikroskop den Einfluss der Korngrenzphasen auf die mechanischen Eigenschaften des Materials erfassen und Strategien zur Entwicklung mechanisch robusterer Materialien ableiten.
Das Projekt zielt darauf ab Korngrenzphasenübergänge aufzuklären, thermodynamische Konzepte zur Vorhersage zu entwickeln, sie mit Eigenschaftsänderungen zu korrelieren und schließlich Designkriterien für den gezielten Einsatz von Korngrenzphasenumwandungen aufzustellen. Dies könnte insbesondere für Anwendungen im Bereich der Leistungselektronik interessant sein, die beispielsweise im Automobil- und Energiesektor eingesetzt wird. Die in der Leistungselektronik üblicherweise verwendeten metallischen Kontakte auf Kupferbasis könnten durch die Erhöhung der Korngrenzfestigkeit temperaturresistenter und damit langlebiger gemacht werden.
Gerhard Dehm kam 2012 als Direktor der Abteilung „Struktur und Nano-/Mikromechanik von Materialien“ und als Geschäftsführer zum MPIE. Vorher war er Universitätsprofessor und Leiter des Department Materialphysik an der Montanuniversität Leoben (Österreich) und gleichzeitig Direktor des Erich-Schmid-Instituts für Materialwissenschaft der Österreichischen Akademie der Wissenschaften. Seine weiteren Stationen waren das Max-Planck-Institut für Metallforschung in Stuttgart, das Technion - Israel Institute of Technology in Haifa (Israel) und die Friedrich-Alexander-Universität in Erlangen-Nürnberg.
Die Fördermittel des Europäischen Forschungsrates gelten als eine der renommiertesten internationalen Forschungsgelder. In dieser Bewerbungsrunde wurden europaweit 2167 Anträge eingereicht, wobei 269 Wissenschaftler erfolgreich waren. Der ERC fördert neben Prof. Dehm noch fünf weitere Wissenschaftler der Max-Planck-Gesellschaft mit je 2,5 Millionen Euro, sogenannte Advanced Grants.
Autorin: Yasmin Ahmed Salem